Weltraumpartisanen 03. Unternehmen Delphin
Kapitel 01
In der samtenen Schwärze des Raumes wirkte das fremde Schiff wie ein Stern unter Sternen: ein kleiner heller Punkt, der scheinbar feststand. In Wirklichkeit bewegte er sich mit einer Geschwindigkeit von 75800 Kilometern pro Stunde durch den Raum. Als ich ihn einmal aus den Augen verlor, während ich die Instrumente vor mir kontrollierte, hatte ich Mühe, ihn wiederzufinden; und ihm so unerbittlich zu folgen, wie ich es tat, wäre mir ohne Hilfe des Bordcomputers nicht möglich gewesen.
In unregelmäßigen Abständen verwandelte sich der glühende Stecknadelkopf urplötzlich in eine gleißende Spiegelfläche – immer dann, wenn bei seinen verzweifelten Versuchen, uns abzuschütteln, die seitlichen Cockpitfenster voll in das durch nichts gebrochene Licht der Sonne gerieten. Das Hakenschlagen nutzte ihm nichts. Er konnte uns so wenig entkommen wie ein Fisch im Aquarium dem Kescher. Delta VII war ihm an Geschwindigkeit um ein Vielfaches überlegen, und der radargesteuerte Computer sorgte dafür, daß Kurs und Abstand der beiden Schiffe stets gleich blieben.
Seit einer Viertelstunde schrie der flüchtende Stern mit blecherner Stimme um Hilfe.
Aus den Augenwinkeln sah ich eine Bewegung dicht neben mir. Ich wendete den Kopf zur Seite: Mark Brandis, der Commander, hatte das Cockpit wieder betreten und seinen Platz eingenommen.
»Lieutenant Stroganow!«
»Sir!« Die Stimme des Navigators klang belegt. Der grauhaarige Sibiriak mit den breiten, muskulösen Schultern stand unter der gleichen Hochspannung wie ich. Zum erstenmal, seitdem ich vor achtzehn Tagen infolge einer Sonderkommandierung des Rats für innere und äußere Sicherheit der damals noch unabhängigen Republik Venus als Pilot an Bord dieses Schiffes gekommen war, erlebte ich, daß auch Iwan Stroganow, dieser Veteran der Raumfahrt, nervös sein konnte.
»Können Sie was von diesem Gezeter verstehen?«
»Nein, Sir. Ich halte es für Chinesisch.«
Commander Brandis neigte – wie um zu bestätigen, daß er der gleichen Ansicht war – kaum merklich den Kopf, und ohne daß ich so recht wußte warum, empörten mich sein Gleichmut und seine unerschütterbare Ruhe. Für den Gedanken, daß er im Begriff war, uns alle verfügbaren Kampfschiffe der VOR – der Vereinigten Orientalischen Republiken – an die Fersen zu heften, schien in seiner Vorstellungswelt kein Raum zu sein – oder aber er setzte sich ganz einfach darüber hinweg.
»Ich glaube«, sagte er, »ich habe das Schiff erkannt. Es handelt sich um die Lotus, ein leichtbewaffnetes Kurierschiff der Mao-Klasse. Ich bin mir dessen ziemlich sicher.« Commander Brandis drehte sich auf seinem schwenkbaren Sitz in meine Richtung. »Ich möchte, daß Sie längsseits gehen, Captain.«
Obwohl ich geahnt und befürchtet hatte, daß dies auf mich zukommen würde, muß ich wohl gezögert haben, denn Commander Brandis zog plötzlich die Brauen hoch, und seine blauen Augen blickten frostig. »Das ist ein Befehl, Captain Monnier!«
In jedem anderen Fall hätte ich auf Anhieb gehorcht, doch dies war eine Situation besonderer Art. Ich dachte an die Folgen dieses Befehls, der ja nichts anderes war als ein unverhüllter kriegerischer Akt gegenüber einem Schiff der VOR – und dies ausgerechnet zu einer Zeit, in der wir an Bord von Delta VII die Unterstützung Pekings dringend benötigten.
Zweihundertzweiundvierzig Tage waren vergangen, seitdem sich General Gordon B. Smith, der Mann aus Texas, die EAAU – die Europäisch-Amerikanisch-Afrikanische Union – unterworfen hatte, und nur knapp zwei Wochen waren vergangen, seitdem er im Zusammenspiel mit dem verräterischen Colonel Larriand, Befehlshaber der Strategischen Raumflotte Venus , auch die Republik Venus, für ein halbes Jahr letztes Bollwerk demokratischer Freiheit, in seinen Machtbereich eingegliedert hatte. Die erbarmungsloseste Diktatur, die es in der Geschichte der Menschheit je gegeben hatte, erstreckte sich über den halben Erdball und umfaßte gleichzeitig die Hälfte des erforschten Weltalls. Die VOR – an ihrer Spitze China, das sich von der verheerenden Niederlage im zweiten Sowjetisch-Chinesischen Krieg längst erholt hatte – bildeten das einzige Gegengewicht. Seit der Machtergreifung durch den General im Zeichen der Reinigenden Flamme war die Spannung zwischen den beiden Machtblöcken, die sich ohnehin nie sehr freundschaftlich gegenübergestanden waren, unablässig gewachsen. Die politische und mithin auch militärische Lage war
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