Die Wedding-Planerin
und Quartett zusammen, gebe meiner Mutter ein kurzes Update, koche nebenbei Abendessen und rufe Anja an, dass es
mir leidtut, aber ich an diesem Wochenende wirklich niemanden in meinem Wohnzimmer nächtigen lassen möchte, und gebe ihr
die Nummern diverser Bed&Breakfast-Hotels in der Stadt. Und dann klingelt mein Handy noch einmal: SMS von Maja. Sie
hat heute ihr Kind bekommen, freut sich riesig, Mutter und Kind sind wohlauf. Ich schicke Glückwünsche und bin ein bisschen
traurig, dass sie nun wohl Lenas Hochzeit wirklich nicht erleben wird.
Drei Stunden später, es ist bereits 22 Uhr, setze ich mich endlich hin, um die Rede zu schreiben.
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Freitag, 23. Mai
Stimmung: nicht existent
Sound: aufgeregtes Geplapper
Thema des Tages: Jetzt wird geheiratet
11 : 50 Uhr
Was für ein Wetter! Nachdem ich mich gestern Abend halb totgefroren habe, scheint heute Morgen die Sonne, und ich strahle
mit ihr um die Wette. In einer knappen Stunde wird Lena ja sagen, |219| bei dem Gedanken daran treten mir schon wieder die Tränen in die Augen. «Porös» nannte Lena diesen emotionalen Zustand neulich,
und recht hat sie, ich fühle mich durchlässig. Ständig muss ich fast weinen oder das nervöse Flattern in meinem Magen bekämpfen.
Dabei geht es heute erst mal nur ins Standesamt, und das ist ja bekanntlich alles andere als romantisch oder ergreifend.
Vielmehr erinnert mich die Prozedur an die Zulassung eines Autos. Statt des Kfz-Kennzeichens gibt es hier halt Ringe und statt
der Zulassungspapiere erhält man das «Stammbuch der Familie».
12 : 00 Uhr
SMS von Lena
«Sind auf dem Weg und gleich da.» «Na, die hat Nerven», denke ich. Eigentlich sind wir jetzt verabredet. Denn vor zwei Tagen
ist Lena aufgefallen, dass ihr nicht ganz klar ist, wann die Trauung stattfindet. Sie hatte sich 12 : 20 Uhr aufgeschrieben – auf dem Zettel vom Standesamt stand dann aber 12 : 40 Uhr. Sicherheitshalber haben wir uns um 12 Uhr verabredet.
12 : 15 Uhr
Alle sind da: beide Mütter und Väter, alle Geschwister, Nichten, Neffen, Cousins und Cousinen samt Kindern. Gut 20 Menschen sammeln sich vor dem Rathaus und warten. Die einzigen, die nicht da sind – sind Lena und Karl.
Etwas nervös greife ich zum Handy und rufe Lena an. «Wir hatten den Sekt vergessen und mussten nochmal umdrehen, Karl hat
außerdem so lange im Bad gebraucht, aber wir sind gleich da. Kannst du schon mal einen Parkplatz freihalten?», instruiert
mich Lena. Parkplatz freihalten? Freitagmittag vor dem Standesamt mitten in Hamburg? Hübsche Idee – und einer der Momente,
in denen ich mein Amt verfluche.
Ich lasse die nervös auf die Uhr guckenden Eltern kommentarlos stehen und renne mit wehendem Kleid, das Handy am Ohr |220| und auf Neun-Zentimeter-Absätzen todesmutig über die Straße. Platz da – hier wird gleich geheiratet! Schlitternd komme ich
in der einzigen Parklücke im Umkreis von einem Kilometer zum Stehen und ignoriere das böse Hupen der anderen Autofahrer. Zum
Glück taucht da vorn der Wagen der beiden auf.
12 : 20 Uhr
Eigentlich sollten wir uns jetzt bei dem Standesbeamten melden – aber erst mal müssen alle begrüßt und zusammengesammelt werden.
Ich gebe letzte «Anweisungen» für den Sektempfang nach der Trauung: Auto umfahren, Tisch, Prosecco, Saft und Gläser rausholen
und aufbauen. Bitte. Etwas leid tun mir mein Freund Andreas und Lenas Cousine, die sich bereiterklärt haben zu helfen. Ich
kann gerade keine wirklich gelassene Freundlichkeit mehr aufbringen. In meinem Kopf spielen sich bereits Szenen einer geplatzten
Eheschließung ab, weil wir es nicht geschafft haben, uns anzumelden. Wo ist denn das Brautpaar schon wieder?
12 : 40 Uhr
Geschafft. Wir sitzen im Trauzimmer. Unsere Personalausweise haben wir gerade noch rechtzeitig bei dem Helfer der Standesbeamtin
abgegeben, alle Besucher zusammengesammelt, und nun sitzen das Brautpaar und wir beiden Trauzeugen zusammen mit der Standesbeamtin
an einem riesigen alten Tisch, um uns herum stehen die Gäste.
Ich komme mir trotz meiner 1 Meter 80 Körpergröße winzig vor. Früher gab es als Attraktion in Freizeitparks Riesenmöbel, in denen man sich ganz klein vorkam,
etwa so fühle ich mich jetzt in den barocken Sitzmöbeln. Und dann geht alles ganz fix. Was genau die Standesbeamtin uns erzählt,
bekomme ich nicht richtig mit, plötzlich stehen wir
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