Die weiße Bestie: Thriller (German Edition)
werden, vermasseln. Ein Fehler von ihrer Seite würde schlechte Noten für Markvart in seiner Evaluierung bedeuten, und die Schuld dafür musste irgendjemandem zugeschoben werden. Vermutlich einem Mitarbeiter. Wahrscheinlich ihr.
Sie überlegte einen kurzen Augenblick, ihren Vater anzurufen und die Situation mit ihm zu besprechen. Während seiner vielen Jahre im Geschäftsleben hatte er eine Menge an Problemen erlebt, aber sie schlug sich den Gedanken ebenso schnell aus dem Kopf, wie er gekommen war.
Das würde ihm nicht gerade imponieren.
Sie musste selbst klarkommen– das war ihre Aufgabe, ihre Verantwortung.
Sie legte sich auf das frisch gemachte Bett und starrte an die Decke, während sie nachdachte.
Eine Möglichkeit war es, erneut in das Dorf zu fahren. Verständlicherweise waren die Dorfbewohner erschrocken gewesen, als sie und Daniel gekommen waren– hatten sie doch soeben einen Mord im Dorf erlebt. In ein paar Tagen würden sie sich vielleicht beruhigt haben und bereit sein, mit ihr zu sprechen. Das Problem war nur, dass sie nicht ein paar Tage Zeit hatte dazusitzen und abzuwarten, ob sie sich vielleicht beruhigen würden. Markvart wollte Ergebnisse sehen, und sie konnte es sich nicht leisten, in einem Hotelzimmer in Nairobi herumzusitzen.
Außerdem war der Zorn der Dorfbewohner stark genug gewesen, Daniel dazu zu bringen, mit Caroline schnellstens aus dem Dorf zu verschwinden.
Vermutlich musste sie mehr tun, um ihr Vertrauen zu gewinnen, als lediglich bloß vorbeizuschauen.
Geld war selbstverständlich eine Möglichkeit. Cool cash kaufte Vertrauen– oder auf jeden Fall Schweigen– täglich, weltweit. Aber diese Möglichkeit hatte Caroline nicht. So etwas tat man nicht bei Dana Oil, und so etwas tat sie unter keinen Umständen.
Die Frage war, ob sie ihnen drohen konnte? Andeuten, dass, wenn sie nicht kooperieren würden, es sein könnte, dass weitere schlimme Dinge passierten? Sie schüttelte den Kopf über sich selbst, wohl wissend, dass dies keine Möglichkeit war. Sie zerbrach sich den Kopf nach Lösungen. Sie war gezwungen zu handeln, und sie war gezwungen, schnell zu handeln. Markvart hatte gesagt, dass es höchstens ein paar Tage dauern durfte, Kontakt zu dem Dorf herzustellen, und jetzt war sie bereits seit zweieinhalb Tagen hier, und war nicht mal einen einzigen Schritt einem guten Verhältnis nähergekommen. Ganz im Gegenteil. Es war nicht ihre Schuld, dass Mama Lucy ermordet worden war, aber sie wollte nicht daran gemessen werden, was ihre Schuld war und was nicht. Sie wollte daran gemessen werden, ob sie das leisten konnte, wofür sie hierhergeschickt worden war: ein Ende der Klagen über Dana Oil.
Die Gedanken glitten zurück zu Markvarts beunruhigenden Listen. Sie stellte sich vor, wie die Aufstellungen über die gekündigten Mitarbeiter exakt an dem Tag veröffentlicht würden, an dem ihr Vater nach einer langen und glorreichen Karriere in den Ruhestand ging.
Hier war ein Mann, der alles erreicht hatte– ein erfolgreiches Arbeitsleben, Geld, Prestige und ein einflussreiches Netzwerk. Und dann erwies sich das Kind, auf das er sich verlassen hatte, als eine Enttäuschung… Sie konnte bereits die Blicke beim Abschiedsempfang des Vaters spüren. Einige würden verwundert, einige mitfühlend und andere herablassend sein. Die Blicke der Gäste wären jedoch nicht das Schlimmste, denn das würden die ihres Vaters sein.
Die Enttäuschung, die er ohne Erfolg zu verbergen versuchen würde, würde unerträglich sein. Sie konnte den Gedanken, diesen Blick erneut sehen zu müssen, nicht ertragen.
Caroline erinnerte sich an den Sommer, in dem sie und ihr Vater die Ødegård-Olympiade gewonnen hatten.
Ihre Eltern besaßen einen großen Hof in der Einöde in Schweden, und über viele Jahre hinweg waren sie an einem Wochenende im Juni mit vier befreundeten Paaren und deren Kindern dorthin gefahren. Am Samstag war Olympiade. In den ersten Jahren war es ein Wettkampf ausschließlich für die Väter gewesen. Während die Kinder im See gebadet und die Ehefrauen auf der großen Terrasse Weißwein getrunken hatten, hatten die Männer darum gekämpft, wer der Beste– vom Seilspringen und Wettlaufen bis hin zum Holzhacken und Baumstumpfweitwurf– war. Der Wettbewerb wurde als freundschaftlicher Kampf bezeichnet, aber alle wussten es besser.
Der Kampf hatte den Vätern gehört, aber den einen Sommer wollten sie etwas Neues ausprobieren und beschlossen, die Söhne teilnehmen zu lassen, sodass Vater
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