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Die Weiße Burg

Die Weiße Burg

Titel: Die Weiße Burg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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nicht begreifen, wie sie aufrecht gehen konnte, wenn sich ihre Beine doch wie Wasser anfühlten -, aber sie wurde sich bewusst, dass sie durch die Korridore lief, die Röcke bis zu den Knien gerafft und so schnell rennend, wie sie konnte. Plötzlich klaffte der obere Absatz einer breiten Treppe vor ihr auf, und sie konnte gerade noch verhindern, direkt ins Leere zu stürmen. Zitternd sackte sie gegen die Wand und starrte die gewundene Flucht aus weißen Marmorstufen hinunter. In ihrer Vorstellung sah sie sich selbst, wie sie sich jeden Knochen brach, als sie die Treppe hinunterstürzte.
    Sie atmete keuchend, in heiseren, kehligen Atemzügen, und griff sich mit zitternder Hand an die Stirn. Ihre Gedanken überschlugen sich, so wie sie auf der Treppe in die Tiefe gestürzt wäre. Der Große Herr hatte sie als die Seine gezeichnet. Ihre Finger glitten über glatte, unverletzte Haut. Sie hatte Wissen immer zu schätzen gewusst - Macht erwuchs aus Wissen -, aber sie wollte nicht wissen, was jetzt in den Gemächern geschah, die sie verlassen hatte. Sie wünschte sich, sie würde nicht wissen, dass dort überhaupt etwas geschah. Aber sie tat es; Mesaana würde eine Möglichkeit finden, sie zu töten, obwohl der Große Herr sie gezeichnet hatte. Der Große Herr hatte sie gezeichnet und ihr einen Befehl gegeben. Sie durfte weiterleben, wenn sie herausfand, wer die Schwarze Ajah jagte. Mühsam richtete sie sich auf und wischte sich mit den Handkanten die Tränen von ihren Wangen. Sie konnte den Blick nicht von den Stufen vor ihr wenden, die in die Tiefe führten. Elaida verdächtigte sie mit Sicherheit, aber wenn sie sie nicht mehr in der Hand hatte, konnte Alviarin noch immer eine Hetzjagd in Gang setzen. Sie musste Elaida nur zu einer Bedrohung machen, die es auszuschalten galt, und sie in die Jagd auf jene mit einschließen, die dem Großen Herrn übergeben werden mussten. Ihr Finger tasteten erneut zittrig nach der Stirn. Die Schwarze Ajah stand unter ihrem Befehl. Glatte, makellose Haut. Talene war da gewesen, in Elaidas Räumen. Warum hatte sie Yukiri und Doesine auf diese Weise angesehen? Talene war eine Schwarze, auch wenn sie natürlich nicht wusste, dass Alviarin ebenfalls eine war. Ob man das Zeichen im Spiegel sehen konnte? War es etwas, das andere sehen konnten? Wenn sie für Elaidas angebliche Jäger einen Plan schmieden musste, würde Talene jemand sein, mit dem man anfangen konnte. Sie versuchte die Route nachzuvollziehen, die eine Botschaft von Herzen zu Herzen genommen haben würde, bevor sie Talene erreichte, aber sie konnte nicht aufhören, die Treppe hinunterzustarren und im Geist ihren Körper zu sehen, wie er immer wieder aufprallte und auf dem Weg nach unten zerbrach. Der Große Herr hatte sie gezeichnet.

KAPITEL 8
 
Eine Antwort
    Pevara wartete leicht ungeduldig, während die schlanke Aufgenommene das Tablett auf einem Seitentisch abstellte und den Kuchen abdeckte. Pedra, eine kleine Frau mit ernstem Gesicht, war nicht langsam oder gereizt, den ganzen Morgen mit Besorgungen für eine Sitzende verbringen zu müssen, sondern nur präzise und sorgfältig. Das waren nützliche Eigenschaften, die schätzenswert waren. Doch als die Aufgenommene fragte, ob sie den Wein einschenken sollte, sagte Pevara kurz angebunden: »Das machen wir selbst, Kind. Ihr dürft im Vorzimmer warten.« Beinahe hätte sie der jungen Frau befohlen, sich wieder an ihre Studien zu begeben.
    Pedra breitete die weißen Röcke mit den Streifen in einem anmutigen Knicks aus, ohne Zeichen jener Hektik zu zeigen, die Aufgenommene oftmals verrieten, wenn eine Sitzende barsch war. Allzu oft nahmen Aufgenommene Schärfe im Tonfall einer Sitzenden als Kommentar zu ihrer Befähigung für die Stola auf; als hätten Sitzende keine anderen Sorgen.
    Pevara wartete, bis sich die Tür hinter Pedra geschlossen hatte und der Riegel ins Schloss gefallen war, bevor sie anerkennend nickte. »Sie wird bald zur Aes Sedai erhoben werden«, sagte sie. Es war zufrieden stellend, wenn eine Frau die Stola erlangte, aber ganz besonders, wenn die Frau am Anfang wenig viel versprechend gewesen war. Heutzutage schienen kleine Freuden die Einzigen zu sein, die es gab.
    »Aber wohl keine von uns, glaube ich«, lautete die Erwiderung von ihrem Überraschungsgast, der sich von der Reihe gemalter Miniaturen von Pevaras verstorbener Familie abwandte, die auf der gewellten Marmorverkleidung des Kamins standen. »Sie ist unsicher, was Männer angeht. Ich glaube, sie

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