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Die Weiße Burg

Die Weiße Burg

Titel: Die Weiße Burg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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großen Platz vor dem Turm hinaussah, gehörten zum Amt der Behüterin der Chronik. Im Augenblick genügte es ihr, dass sie noch Räume hatte. Und eine Chance, um zu überleben.
    Die Möbel waren noch immer die Domani-Stücke ihrer Vorgängerin, helles Holz mit Intarsien aus Muscheln und Bernstein. Im Schlafzimmer riss sie einen der Kleiderschränke auf, fiel auf die Knie und schob Kleider beiseite, um hinten nach einem Kästchen zu suchen, das keine zwei Hände breit war und ihr schon viele Jahre gehörte. Die Schnitzarbeiten auf dem Kästchen waren aufwändig, aber unbeholfen, Reihen unterschiedlicher Knoten, von einem Schnitzer angefertigt, der über mehr Ehrgeiz als Geschick verfügt hatte. Alviarins Hände zitterten, als sie es zum Tisch trug, und sie setzte es ab, um sich die schweißfeuchten Hände an den Röcken abzuwischen. Der Trick, um das Kästchen zu öffnen, bestand darin, die Finger so weit zu spreizen, wie es ging, und vier Knoten gleichzeitig zu drücken. Der Deckel hob sich einen Spalt, und sie warf ihn zurück, enthüllte ihren kostbarsten Besitz, der in ein braunes Tuch eingewickelt war, damit er nicht klapperte, falls eine Dienerin das Kästchen schüttelte. Die meisten Burgdiener würden es nicht wagen, einen Diebstahl zu begehen, aber die meisten bedeutete nicht alle.
    Einen Augenblick lang starrte Alviarin das Bündel nur an. Darin war ihr kostbarster Besitz, ein Gegenstand aus dem Zeitalter der Legenden, aber sie hatte noch nie zuvor gewagt, ihn zu benutzen. Nur im schlimmsten Notfall, hatte Mesaana gesagt, in der verzweifeltsten Not, aber was konnte schlimmer als das hier sein? Mesaana hatte behauptet, der Gegenstand könnte Hammerschläge aushalten, ohne zu zerbrechen, aber sie schlug das Tuch mit der gleichen Sorgfalt zur Seite, die sie bei feinem braunem Glas angewandt hätte, und enthüllte ein Ter'angreal , einen leuchtend roten Stab, nicht länger als ihr Zeigefinger, der bis auf ein paar feine, in einem verschlungenen Muster miteinander verbundenen Linien vollkommen glatt war. Sie umarmte die Quelle und berührte dieses Muster an zwei der Verbindungsstellen mit haarfeinen Strängen aus Feuer und Erde. Im Zeitalter der Legenden wäre das nicht nötig gewesen, aber etwas, das man »stehende Ströme« nannte, existierte nicht mehr. Eine Welt, in der fast jedes Ter'angreal von Menschen benutzt werden konnte, die nicht die Macht lenken konnten, erschien jenseits jeder Vorstellungskraft. Warum hatte man das erlaubt?
    Sie drückte mit dem Daumen gegen das eine Ende des Stabes - die Eine Macht allein reichte nicht -, ließ sich schwer auf den Stuhl fallen, lehnte sich gegen die niedrige Lehne und starrte den Gegenstand in ihrer Hand an. Es war vollbracht. Jetzt fühlte sie sich leer, ein großer leerer Raum, in dem Ängste durch die Finsternis flatterten wie gewaltige Fledermäuse.
    Statt das Ter'angreal wieder einzuwickeln, schob sie es in die Gürteltasche und stand auf, um das Kästchen wieder in den Schrank zu stellen. Sie hatte nicht vor, den Stab aus ihrer Reichweite zu lassen, bevor sie wusste, dass sie in Sicherheit war. Aber jetzt konnte sie nur dasitzen und warten, mit zwischen den Knien geklemmten Händen hin und her schaukeln. Sie konnte genauso wenig mit dem Schaukeln aufhören, wie sie das leise Stöhnen unterdrücken konnte, das aus ihrem Mund drang. Seit der Gründung der Burg war keine Schwester jemals angeklagt worden, eine Schwarze Ajah zu sein. Oh, einzelne Schwestern hatten einen Verdacht gehabt, und von Zeit zu Zeit waren Aes Sedai gestorben, sodass diese Verdächtigungen nie weitergingen, aber es war nie zu einer offiziellen Anklage gekommen. Wenn Elaida bereit war, offen vom Scharfrichterblock zu sprechen, dann musste sie kurz davor stehen, Anklage zu erheben. Ganz kurz davor. Man hatte auch Schwarze Schwestern verschwinden lassen, wenn der Verdacht zu groß wurde. Die Schwarze Ajah blieb verborgen, ganz egal, was es kostete. Sie wünschte, sie hätte zu stöhnen aufhören können.
    Plötzlich verblasste das Licht in dem Raum und tauchte alles in wirbelnde Schatten. Das Sonnenlicht schien unfähig zu sein, die Glasscheiben des Fensters zu durchdringen. Alviarin fiel sofort auf die Knie und schlug die Augen nieder. Das Verlangen, ihre Befürchtungen hervorzusprudeln, ließ sie zittern, aber bei den Auserwählten musste man die Form einhalten. »Ich lebe, um zu dienen, Große Herrin«, sagte sie, und nicht mehr. Sie konnte keinen Augenblick verschwenden, vor Schmerzen zu

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