Die Weisse Massai
will ich zurück ins Haus, als ich nur ein paar Meter von mir entfernt eine Gestalt mit einem blitzenden Gegenstand bemerke. Augenblicklich verspüre ich Gefahr und trete sofort ins Haus, um meinen Mann zu informieren. Er geht hinaus, und ich folge dicht hinter ihm. Der Chief bleibt in der Hütte. Ich höre Lketinga fragen, wer hier sei. Kurz darauf erkenne ich die Stimme und die Gestalt des Boys, der eine Machete in der Hand hält. Böse frage ich, was er hier zu suchen habe. Er antwortet kurz, er sei hier, um mit der »Mzungu« abzurechnen. Sofort stürze ich ins Haus zurück und frage den Chief, ob er alles gehört habe. Er nickt und kommt nun ebenfalls heraus.
Erschrocken will der Bursche wegrennen, doch Lketinga hält ihn fest und nimmt ihm die gefährliche Machete aus der Hand. Triumphierend schaue ich den Chief an, nun sei er Zeuge eines Mordversuchs geworden. Er soll ihn festnehmen, und morgen fahren wir alle zusammen nach Maralal. Diesen gemeingefährlichen Idioten will ich nicht mehr in unserer Nähe sehen. Der Bursche versucht, alles abzuwiegeln, doch ich bestehe auf einer Festnahme. Der Chief geht mit dem Burschen weg. Mein Mann verschwindet auch, und ich verriegle zum ersten Mal die Haustür.
Kurze Zeit später klopft es. Nach vorsichtigem Nachfragen öffne ich dem Veterinär. Er hat den Lärm gehört und will wissen, was passiert ist. Ich biete ihm Tee an und erzähle den Vorfall. Er bestätigt mich in meinem Vorhaben und bietet mir seine Hilfe an. Ohnehin hat er nie verstanden, warum wir diesen verrückten Burschen bei uns arbeiten ließen, denn er hat schon manches angerichtet, das sein Vater ausbügeln mußte. Während wir uns unterhalten, kommt mein Mann nach Hause. Verdutzt schaut er zum Veterinär und dann zu mir. Der Veterinär beginnt ein Gespräch mit ihm. Ich verabschiede mich und krieche unter das Moskitonetz zu meiner Napirai.
Der Vorfall geht mir nicht aus dem Kopf, und ich habe Mühe einzuschlafen. Später kommt Lketinga ebenfalls ins Bett. Er versucht, mit mir zu schlafen. Ich habe überhaupt kein Verlangen, außerdem liegt Napirai bei uns. Aber er will einfach wieder einmal Sex. Wir probieren es, doch es tut mir wahnsinnig weh. Wütend vor Schmerz stoße ich ihn weg und verlange Geduld von ihm, schließlich ist Napirai erst fünf Wochen alt. Lketinga versteht meine Abweisung nicht und behauptet ärgerlich, ich hätte es wohl schon mit dem Veterinär getrieben. Als er mir das an den Kopf wirft, habe ich endgültig genug für heute. Ich breche in Tränen aus, doch sprechen kann und will ich nicht mehr. Das einzige, was ich ihm erwidere, ist, daß er heute nicht hier im Bett schlafen kann. Seine Nähe könnte ich im Moment, nach diesem Vorwurf und nach allem, was ich heute erlebt habe, nicht mehr ertragen. So richtet er sich ein Nachtlager im vorderen Raum ein. Napirai kommt in der Nacht zwei- bis dreimal an die Brust, anschließend müssen die Windeln gewechselt werden.
Um etwa sechs Uhr morgens, als sie sich gerade wieder meldet, klopft es an unsere Tür. Es wird wohl der Chief sein, doch bin ich nach unserer Auseinandersetzung nicht mehr in der Stimmung, nach Maralal zu fahren. Lketinga öffnet, und vor der Tür steht der Vater des Boys mit dem Chief. Während ich in meinen Rock steige, wird draußen heftig debattiert. Nach einer halben Stunde kommt mein Mann mit dem Chief in unser Haus. Es fällt mir schwer, die Männer anzusehen. Der Chief gibt mir eine Entschuldigung des Boys und dessen Vater weiter und erklärt, wenn wir nicht nach Maralal fahren würden, sei der Vater bereit, uns fünf Ziegen zu geben. Ich entgegne ihm, daß damit mein Leben nicht außer Gefahr sei, vielleicht versuche er es morgen oder übermorgen wieder, in Maralal hingegen verschwinde er für zwei bis drei Jahre im Gefängnis.
Der Chief teilt dem alten Mann meine Bedenken mit. Er verspricht mir, den Burschen für eine Weile zu Verwandten zu bringen. Auf meinen Wunsch hin bürgt er dafür, daß sein Sohn nie wieder näher als 150 Meter an unser Haus herankommt. Nachdem mir der Chief diese Vereinbarung schriftlich bestätigt hat, bin ich einverstanden. Lketinga geht mit dem Alten die Ziegen abholen, bevor sie den Kral verlassen.
Ich bin froh, daß er fort ist, und gehe gegen Mittag zur Mission, um meine Tochter zu zeigen. Pater Giuliani hat sie seit Wamba nicht mehr gesehen, und Pater Roberto kennt sie überhaupt noch nicht. Beide freuen sich sehr über meinen Besuch. Aufrichtig bewundert Pater Giuliani mein
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