Die Weisse Massai
und ich komme mir in meinem geflickten, wenn auch sauberen Rock unter den neugierigen Blicken etwas verloren vor. Von meinem früheren Selbstvertrauen ist nicht viel übrig geblieben. Als mich eine Deutsche anspricht und wissen will, ob Napirai mein Baby sei, fehlen mir sogar die Worte, um zu antworten. Zu lange habe ich kein Deutsch oder gar Schweizerdeutsch mehr gesprochen. Ich komme mir wie eine Idiotin vor, als ich in Englisch antworten muß.
Lketinga fährt am nächsten Tag an die Nordküste. Dort will er ein paar Schmuckstücke einkaufen, um bei den Massai-Tänzen mit anschließendem Schmuckverkauf mitmachen zu können. Ich freue mich, daß auch er sich fürs Geldverdienen interessiert. Zu Hause wasche ich Windeln, während James mit Napirai spielt. Zusammen mit Priscilla schmieden wir Zukunftspläne. Sie ist begeistert, als ich ihr eröffne, daß ich einen Laden suche, um mit den Touristen ins Geschäft zu kommen. Da James nicht länger als einen Monat bleiben kann, weil er wegen seiner großen Beschneidungszeremonie nach Hause muß, beschließe ich, mit Priscilla die Hotels abzuklappern, um eventuell einen freien Laden zu finden.
In den feudalen Hotels werden wir von den Geschäftsführern zum Teil skeptisch empfangen, um dann auch gleich eine Absage zu bekommen. Beim fünften Hotel ist mein ohnehin geringes Selbstvertrauen geschwunden, und ich komme mir wie eine Bettlerin vor. Natürlich sehe ich nicht wie eine ordentliche Geschäftsfrau aus mit meinem rotkarierten Rock und dem Baby auf dem Rücken. Per Zufall hört ein Inder an einer Rezeption unser Gespräch und schreibt mir eine Telefonnummer auf, unter der ich seinen Bruder erreichen kann. Schon am nächsten Tag fahren mein Mann, James und ich nach Mombasa, um uns mit diesem Mann zu treffen. Er hat in der Nähe eines Supermarktes in einer neu erstellten Siedlung etwas frei, allerdings für umgerechnet 700 Franken Miete im Monat. Zuerst will ich schon abwinken, da mir dieser Betrag viel zu hoch erscheint, doch dann lasse ich mir das Gebäude zeigen.
Das Geschäft liegt ganz feudal etwas abseits der Hauptstraße am Diani-Beach. Mit dem Auto sind es fünfzehn Minuten von Zuhause. Im Gebäude ist bereits ein riesiger, indischer Souvenirshop und gegenüber ein neu eröffnetes China-Restaurant, der Rest steht leer. Da das Ganze treppenförmig angelegt ist, sieht man von der Straße den Laden nicht. Trotzdem ergreife ich diese Möglichkeit, obwohl es nur etwa 60 Quadratmeter sind. Der Raum ist absolut kahl, und Lketinga versteht nicht, warum ich soviel Geld für einen leeren Laden ausgebe. Er geht weiterhin zu den Touristenaufführungen, doch das erwirtschaftete Geld verschwindet beim anschließenden Bier- oder Miraakonsum, was zu unschönen Auseinandersetzungen führt.
Während Einheimische nach meinen Plänen die Holzgestelle bauen, organisiere ich mit James in Ukunda Holzpfähle und bringe sie mit dem Wagen zum Shop. Tagsüber arbeiten wir wie die Wilden, während mein Mann mit anderen Kriegern in Ukunda herumhängt.
Am Abend koche und wasche ich meistens noch, und wenn Napirai schläft, unterhalte ich mich mit Priscilla. Lketinga nimmt bei Anbruch der Nacht den Wagen und fährt die Krieger zu den verschiedenen Aufführungsplätzen. Mir ist dabei nicht wohl, weil er keinen Führerschein hat und außerdem Bier trinkt. Wenn er nachts wieder erscheint, weckt er mich und will wissen, mit wem ich mich unterhalten habe. Sind nebenan schon einige Krieger zu Hause, ist er überzeugt, daß ich mit ihnen gesprochen habe. Ich warne ihn eindringlich, er solle nicht wieder alles kaputt machen mit seiner Eifersucht. Auch James versucht, ihn zu beruhigen.
Endlich ist Sophia zurück. Es ist eine große Wiedersehensfreude. Sie kann kaum glauben, daß wir bereits dabei sind, ein Geschäft aufzubauen. Sie ist schon seit fünf Monaten hier und hat ihr Caféhaus immer noch nicht eröffnet. Allerdings wird meine Euphorie gebremst, als sie mir von all der Bürokratie, die auf mich zukommt, erzählt. Im Gegensatz zu uns wohnt sie komfortabel. Fast täglich sehen wir uns kurz, was meinem Mann eines Tages nicht mehr gefällt. Er versteht nicht, was wir uns mitzuteilen haben, und nimmt an, ich erzähle von ihm. Sophia versucht ihn zu beruhigen und schlägt ihm vor, er solle doch weniger Bier trinken.
Seit dem Mietabschluß für den Shop sind vierzehn Tage vergangen, und die Einrichtung steht bereits. Ich möchte Ende des Monats eröffnen, und wir müssen die Verkaufslizenz und
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