Die Weisse Massai
mindestens ein bis zwei Ziegen schlachten und Bier brauen. Erst wenn sie in guter Stimmung sind, sind sie bereit, uns den »Enkai« zu sprechen. Er verstehe Lketinga, wenn er ohne dieses Gebet nicht fahren will.
Jetzt verliere ich die Nerven und schreie Lketinga an, warum diese Alten nicht vorher mit dieser Idee gekommen seien. Seit drei Wochen wissen sie, wann wir aufbrechen wollen, wir haben ein Fest gemacht, haben alles verkauft und den Rest eingepackt. Ich bleibe keinen Tag länger, ich fahre, und wenn ich mit Napirai allein fahren muß! Ich tobe und heule, weil mir schlagartig bewußt ist, daß diese »Überraschung« uns mindestens eine Woche länger zurückhält, da das Bier vorher nicht gebraut sein kann.
Lketinga bekundet lediglich, daß er nicht fährt, und kaut sein Kraut, während James das Haus verläßt, um Rat bei der Mama zu suchen. Ich liege auf dem Bett und möchte am liebsten sterben. In meinem Kopf hämmert es fortwährend: Ich fahre morgen, ich fahre morgen. Weil ich kaum schlafe, bin ich völlig erschlagen, als frühmorgens James mit der Mama erscheint. Wieder wird palavert, doch ich interessiere mich nicht dafür und packe stur weiter unsere Sachen. Durch meine verquollenen Augen nehme ich alles nur schemenhaft wahr. James redet mit der Mama, während viele Menschen herumstehen, um ihre Sachen abzuholen oder Abschied zu nehmen. Ich schaue niemanden an.
James kommt zu mir und fragt im Auftrag von Mama, ob ich wirklich fahren will. »Yes«, ist meine Antwort, und dabei binde ich Napirai seitlich an mich. Mama schaut ihr Enkelkind und mich lange stumm an. Dann sagt sie etwas zu James, das sein Gesicht erhellt. Freudig teilt er mir mit, Mama gehe los und bringe vier Alte aus Barsaloi, um uns den Segen auch so zu sprechen. Sie will nicht, daß wir ohne ihn losfahren, denn sie ist sich sicher, uns das letzte Mal zu sehen. Dankbar bitte ich James, ihr zu übersetzen, wo immer ich auch sein werde, werde ich für sie sorgen.
Die gute Spucke
Wir warten eine knappe Stunde, und es kommen immer mehr Menschen. Ich verkrieche mich im Haus. Tatsächlich erscheint Mama mit drei alten Männern. Wir drei stehen neben dem Wagen, und Mama spricht vor, worauf alle im Chor »Enkai« wiederholen. Es dauert etwa zehn Minuten, ehe wir im Guten ihre Spucke auf die Stirn gedrückt bekommen. Die Zeremonie ist beendet, und ich bin erleichtert. Jedem der Alten drücke ich noch irgendeinen brauchbaren Gegenstand in die Hand, während Mama auf Napirai zeigt und scherzhaft meint, sie wolle nur unser Baby.
Dank ihrer Hilfe habe ich gewonnen. Sie ist die einzige, die ich noch einmal in die Arme schließe, bevor ich mich hinter das Steuer setze. Napirai gebe ich nach hinten zu James. Lketinga zögert noch einzusteigen. Als ich den Motor anlasse, setzt auch er sich mürrisch in den Wagen. Ohne Blick zurück brause ich davon. Ich weiß, es wird ein langer Weg, doch er führt in die Freiheit.
Mit jedem Kilometer, den ich zurücklege, kehrt Kraft in mich zurück. Ich werde durchfahren bis Nyahururu, dann erst kann ich wieder ruhig atmen. Etwa eine Stunde vor Maralal wird unsere Fahrt durch einen Platten gestoppt. Wir sind bis unter das Dach beladen, und das Reserverad liegt ganz unten! Aber ich nehme es gelassen, denn es wird sicher der letzte Radwechsel auf Samburu-Boden sein.
Der nächste Stop ist bei Rumurutti, kurz vor Nyahururu, wo die geteerte Straße beginnt. Eine Polizeikontrolle hält uns an. Sie wollen mein Logbuch sehen sowie meinen Internationalen Führerschein. Dieser ist schon lange abgelaufen, was sie nicht merken. Dafür werde ich aufgefordert, den Wagen zur Kontrolle zu bringen, damit ich an der Scheibe einen neuen Aufkleber mit unserer Adresse bekomme, da dies Vorschrift sei. Ich staune, denn in Maralal kennt man diesen Aufkleber nicht.
In Nyahururu übernachten wir erstmals und erkundigen uns am nächsten Tag, wo dieser Aufkleber zu besorgen ist. Erneut beginnt der Streß mit der Bürokratie. Zuerst muß der Wagen in die Garage, damit alle Mängel behoben werden, und danach bezahlt man für die Anmeldung zur Überprüfung. Er bleibt einen vollen Tag im Service, was wiederum viel Geld kostet. Am zweiten Tag können wir ihn vorführen. Ich bin überzeugt, daß alles klappt. Doch als wir schließlich an der Reihe sind, bemängelt der Prüfer sofort die geflickte Batterie und den fehlenden Aufkleber. Ich erkläre ihm, daß wir gerade umziehen und noch nicht wissen, welche Adresse wir in Mombasa haben werden. Es
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