Die Weiße Rose
von Staat und Partei Beunruhigung und Aufsehen“ 4 hervorgerufen hatte. Ein Regime, das die Welt dominieren wollte, hatte Angst vor ein paar regimekritischen Flugblättern.
Am 18. Februar 1943, gegen 10:30 Uhr, betrat der 24-jährige Sanitäts-Feldwebel Hans Scholl den Lichthof der Münchner Universität. Er war für die Dauer des Semesters zum Studium freigestellt worden, um sich auf seine Examina vorzubereiten. Ihn begleitete seine 21-jährige Schwester Sophie, die in München Biologie und Philosophie studierte. Sie hatten in einem Koffer die von der Polizei gesuchten regimekritischen Flugblätter dabei, die sie für die Vorlesungspause auslegen wollten.
Hans Scholl war der Kopf einer Widerstandsgruppe, die ihre ersten Flugblätter mit „Weiße Rose“ unterzeichnet hatte. Zusammen mit seinem Freund, dem Medizinstudenten und Sanitäts-Feldwebel Alexander Schmorell, hatte er die ersten Flugblätter der Gruppe geschrieben, vervielfältigt und verteilt. Zu ihrer Gruppe stießen im Laufe des Jahres 1942 noch Willi Graf, ebenfalls Medizinstudent und Soldat, und der Philosophieprofessor Kurt Huber. Und noch ein weiterer Medizinstudent, Christoph Probst, der ein enger Freund AlexanderSchmorells war, schloss sich dem Kreis an. Da er aber bereits verheiratet war und seine Frau das dritte Kind erwartete, versuchten die Freunde, ihn zu schützen. Er sollte möglichst wenig über die gefährlichen Aktivitäten der anderen erfahren. Außerdem diente er nicht in München, sondern in Innsbruck. Dort war er ebenfalls Sanitätssoldat, allerdings bei der Luftwaffe. Seit dem Sommer 1942 wusste auch Sophie Scholl Bescheid über das illegale und lebensgefährliche Engagement ihres Bruders. Er hatte seine Widerstandsarbeit nicht mehr vor seiner Schwester verbergen können. Da sie den Krieg und den Nationalsozialismus hasste, war es für sie keine Frage, ihren Bruder bei seinem Kampf zu unterstützen.
Die ersten Flugblätter wandten sich mit ihrem gelehrt wirkenden, apokalyptischen Stil direkt an junge Intellektuelle. Deshalb war ihre Wirkung größtenteils nur auf ein akademisches Umfeld beschränkt.
Auf Anregung von Prof. Huber sollten sich die weiteren Flugblätter an größere Kreise wenden. So war das fünfte Flugblatt mit einem „Aufruf an alle Deutsche!“ überschrieben und im Namen der „Widerstandsbewegung“ verfasst. Das sechste Flugblatt, das Hans und Sophie Scholl an diesem Morgen auslegen wollten, richtete sich nach dem Skandal an der Hochschule an ihre „Kommilitonen! Kommilitoninnen!“.
Gleich zu Beginn wird darin in flammenden Sätzen an den Untergang der 6. Armee in Stalingrad erinnert, für den Hitler verantwortlich gemacht wurde: „Führer, wir danken dir!“, heißt es dazu bitter.
Und in der Tat, die Vernichtung der 6. Armee bedeutete einen weiteren schweren Schlag für die deutsche Kriegsführung. Der verlustreiche Russland-Feldzug derletzten beiden Jahre hatte die Kräfte der Wehrmacht erschöpft. Ein Sieg rückte in immer weitere Ferne. Die verheerenden Nachrichten aus Russland erinnerten manchen geschichtsbewussten Zeitgenossen an Napoleons fatalen Marsch auf Moskau.
Bis zu dieser Schlacht hatte eine Pattsituation auf dem europäischen Kriegsschauplatz geherrscht. Das „Dritte Reich“ hatte im Sommer 1941 die Sowjetunion überfallen. Im Winter war die deutsche Offensive vor Moskau zusammengebrochen. Nur unter großen Mühen war es der deutschen Armeeführung gelungen, die Front zu stabilisieren und die im Sommer eroberten Gebiete zu halten. Im Folgejahr richtete sich das Augenmerk des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) auf den Süden der Sowjetunion. Die deutschen Truppen sollten über den Don und die Wolga bis in die Industriemetropole Stalingrad und weiter in den Kaukasus vorstoßen, um die russischen Ölfelder zu besetzen und die sowjetische Kriegsmaschine von ihrer Rohstoffbasis abzuschneiden (Fall Blau).
Stalingrad, an der Wolga gelegen, sollte zum Symbol des Sieges über den Bolschewismus werden. Die 500 000-Einwohner-Stadt war ein Zentrum der sowjetischen Schwerindustrie, etwa 20 % der russischen Panzer, vor allem das gefürchtete Modell T-34, wurden in ihrem berühmten Traktorenwerk hergestellt.
Am 23. August 1942 begann die 6. Armee, eine hervorragend ausgestattete Elitetruppe, 5 mit dem Angriff auf Stalins Stadt. Ein mehrere Tage andauerndes Artillerie-Bombardement und schwere deutsch-italienische Luftangriffe zerstörten sie fast vollständig. 40 000 Einwohner starben.
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