Die Weiterbildungsluege
sind die Vorbilder. Das Lernen ist deshalb
so wirkungsvoll, weil der Mitarbeiter im Rahmen von Vormachen und Nachmachen auch schnell eine Rückmeldung bekommt. Mitarbeiter
brauchen Bedingungen, in denen sie dem Lernprozess nicht ausweichen können. Dabei ist es wichtig, Lernziele zu definieren,
die durch Fleiß und Beharrlichkeit auch erreichbar sind.«
Potenzialos Züge glätteten sich. »Stimmt. Das ist wirklich die beste Methode. Kenne ich von mir selbst.« Das Orakel fuhr fort:
»Beim Training-on-the-Job muss man zwischen Training und Lernen unterscheiden. ›Training‹ bedeutet, dass es einen Input gibt.
›Lernen‹ ist ein selbstorganisierter Prozess, bei dem das Gelernte angewendet wird. Und da ist jeder Mensch sehr individuell.
Beim Training-on-the-Job können die Lerneinheiten und zeitlichen Abstände zwischen den Einheiten genau spezifiziert, strukturiert
und geplant werden. Trainingseinheiten können auch in kleinen Gruppen erfolgen – ganz abhängig von den Lernzielen.« Potenzialos
war jetzt hellwach und begierig zu hören, was das Orakel, das gerade mitten in einer Vision war, als Nächstes von sich geben
würde. »Es gibt ein interessantes Konzept für Training-on-the-Job namens ›Kollegiales Coaching‹. Es bedeutet, dass sich die
Mitarbeiter zu bestimmten Lernzielen über einen längeren Zeitraum nach festgelegten Regeln gegenseitig beim Lernen unterstützen.
Sie sind auf diese Weise sowohl Lernender als auch Lehrender. Dabei werden nicht nur Trainingsinhalte in die Praxis umgesetzt,
sondern es erfolgt auch ein unglaublicher Best-Practice-Austausch.« Aha, eine Lernpatenschaft also. »Wie geht das genau?«,
wollte Potenzialos wissen. Das Orakel erzählte ein Beispiel des Trainers, der dieses Konzept |234| entwickelt hat. 24 Mitarbeiter sollten Verhandlung am Telefon lernen. Die Grundlagen erarbeiteten sie in einem Gruppentraining
an Praxisfällen aus dem Alltag. Jeder Teilnehmer aus einer Trainingsgruppe sollte im Anschluss drei andere Kollegen coachen.
Jeden Monat einen anderen. Jedes Coaching umfasste mindestens fünf Telefonate, zu denen jeweils ein Feedbackgespräch erfolgte.
Je nach Erreichbarkeit und Gesprächslänge entsprach dies einem Zeitaufwand von etwa einer Stunde im Monat. Das Coaching endete
mit einem persönlichen Trainingsplan bis zum nächsten Termin, der per Mail an den Vorgesetzten und den Trainer versendet wurde.
Jede Veranstaltung wurde abgeschlossen mit der Frage des Coachs an den Kollegen: »Was hast du als Feedback für mich? Was war
gut? Was sollte ich verbessern?« Die 14 Kriterien für gutes Coaching waren zuvor im Rahmen eines Kick-Off-Workshops gemeinsam
mit den Mitarbeitern erarbeitet worden. Zum Schluss erfolgte auch der Eintrag von Termin und Unterschrift in einer Trainingsdokumentation.
Nach erfolgtem Coaching füllte jeder Mitarbeiter allein einen Feedbackbogen aus, in dem er die Leistung des coachenden Kollegens
auf einer Schulnotenskala bewertete. Alle drei Bögen wurden am Ende anonym an den Vorgesetzten gegeben und von diesem ausgewertet.
Auf der Grundlage dieser Bögen wurden dann zum Schluss die drei besten Coaches – das heißt diejenigen mit der höchsten Punktzahl
– offiziell gekürt und erhielten einen Preis. Welche Preise es gab, hatten die Mitarbeiter auf der Grundlage eines vorgegebenen
Budgets in Höhe von 180 Euro selbst im Kick-Off ausgearbeitet. Um den Prozess im Gang zu halten, gab es zwischen Trainer und
Vorgesetztem ein monatliches Meeting, in dem besprochen wurde, inwiefern das Prozedere und die Umsetzung erfolgreich abliefen
und wo gegenzusteuern war.
»Klingt wirklich gut«, meinte Potenzialos anerkennend. »War es auch«, entgegnete das Orakel. »Der Vorgesetzte hatte bei keinem
Training in der Vergangenheit so viel Einsatz und Lernerfolg beobachtet. Und dabei war alles unter einem schwierigen Vorzeichen
gestartet. Die Truppe hatte nämlich zuvor bei einem anderen Trainer |235| eine sehr negative Seminarerfahrung gemacht und eigentlich zu Beginn des Projekts nicht die geringste Lust mehr auf eine Weiterbildung.«
»Training-on-the-Job kennt man doch eigentlich auch sehr gut von Ausbildungen«, warf Potenzialos ein. »Stimmt, da wird es
gut gelebt. Bloß bei Weiterbildung gerät diese Praxis komischerweise in Vergessenheit«, erwiderte das Orakel. »Von der Ausbildung
kann man wirklich viel lernen. Ein sehr bewährtes, praxisorientiertes Konzept sind Übungsfirmen.
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