Die Weiterbildungsluege
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|7| Prolog
Weiterbildung bringt nichts
In seinem Innenleben rotieren die Gedanken wie in einer Zentrifuge. Ist das wirklich alles gewesen? Immer wieder diese Frage.
Bildfragmente und Wortfetzen wechseln sich rasch ab. »Ich habe dafür eigentlich gar keine Zeit. Das war so eine Idee von meinem
Chef.« – »Ich weiß gar nicht, was ich hier soll. Ich bin nur hier, weil es eine Pflichtveranstaltung ist.« Plötzlich tauchte
das bärtige Gesicht des EDV-Leiters auf. Auch bei ihm keine Offenheit für Lernen und Veränderung. Zorn mischt sich in seine
Erinnerungen. Die Trainer in dem Institut waren oft sehr grob mit ihm umgegangen. Über 20 Jahre hat er seinen Dienst in der
Weiterbildung getan. Und irgendwie wird er nun den Gedanken nicht los, dass die Maßnahmen unterm Strich umsonst waren.
Vor seinem geistigen Auge taucht der verzweifelte Geschäftsführer auf, der wie Monty Burns von den Simpsons aussah. Trotz
zahlreicher Trainings und Coachings konnte er einfach nicht aus seiner Haut. Und dann war da der arme Alfred Kruttok, der
quasi totgeschult wurde. Ihm ist schwer ums Herz. Und wie oft er diesen Satz bei Folgetrainings hörte: »Ich hatte keine Zeit
für die Umsetzung der Inhalte.« Die übliche Ausrede, um bloß nicht die Komfortzone verlassen zu müssen. Und die Vorgesetzten
unterstützten das Gebahren wie Co-Abhängige. Sie schwörten auf Selbstverantwortung. Aus Zeitmangel und Konfliktscheu. Vergeblich.
Von Nachhaltigkeit keine Spur.
|8| Und überhaupt. Hier stank es bestialisch. Dagegen rochen die Füße seines letzten Chefs wie ein Dufttannenbaum. Er hatte viel
erlebt. War immer dabei gewesen. Auch bei dem groß angelegten Führungskräfteentwicklungsprogramm, bei dem von vornherein klar
war, dass es langfristig gar keine Stellen geben würde. Karriere wurde trotzdem suggeriert. Am Ende stand Frust und die High
Potentials gingen. Oder dieser Manager Dr. Moser. Oberste Priorität hatte das Programm gehabt und sollte die Firma verändern.
Mit großem Brimborium gestartet, versandete es bald. Oh – das hatte er schon fast vergessen. Dieses hübsche Wellness-Hotel
an der Ostsee. Es war ein Incentive-Seminar mit Kopfweh-Garantie. Einziges Ziel: Mitarbeiter bei Laune halten. Und – so wollte
es der glückliche Zufall – das Budget musste auch weg. Tagsüber saßen die Teilnehmer mit glasigen Augen im Seminarraum. Trotz
einer Doppeldosis Aspirin. Eins von den 30 Bierchen gestern Abend war wohl schlecht.
Wie lange würde es noch dauern, bis es zu Ende war? Diese Warterei. Er blickt um sich. Dunkle Wände türmen sich um ihn herum
auf. »Fast 20 Jahre im Dienst der Weiterbildung«, sinniert er, als sich plötzlich ein paar Greifarme in das mürbe Material
graben und den Moderatorenkoffer aus dem Müllbunker direkt in den Einfülltrichter befördern. Ihm wird heiß. Und er sieht das
viel zitierte helle, aber nicht blendende Licht am Ende des Tunnels. Es strahlt Wärme aus. Genauer gesagt 1 000 Grad Celsius.
Es kommt aus dem heißen Feuerraum der Müllverbrennungsanlage. Eine letzte schmerzliche Erkenntnis durchzuckt die Seele des
Moderatorenkoffers: Irgendwie hat sein Leben keinen Sinn gemacht – alle Weiterbildung war rausgeschmissenes Geld.
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|9| Einleitung
Das große Geschäft mit der Weiterbildung
»Jahrelang kämpft man darum, dass die Firmen Geld in die Weiterbildung investieren und etwas für die Qualifizierung ihrer
Mitarbeiter tun, und jetzt schreiben Sie ein Buch, dass das alles nichts bringt!« Mir schlägt blanke Empörung vonseiten der
Personalentwicklungsleiterin entgegen. »Wir haben derart viel Aufklärungsarbeit geleistet. Natürlich denke ich, dass das was
bringt. Bei so einem Buch mache ich nicht mit – auch wenn ich weiß, dass es solche Sachen gibt.« Und weil sie so aufgebracht
ist, gibt sie mir noch einen guten Tipp auf meinen Lebensweg mit: Wenn ich den Glauben an den Nutzen von Weiterbildung verloren
hätte, solle ich Bildhauer werden.
Glaube ist das richtige Stichwort. Der Geschäftsführer eines großen mittelständischen Unternehmens sagte einmal zu mir: »Entweder
man glaubt an Weiterbildung oder man lässt es sein.« Hierzulande hat man einen starken Glauben. Gut 84 Prozent aller Firmen
in Deutschland investieren in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter. Das ergab die aktuelle 5. Weiterbildungserhebung des Instituts
der deutschen Wirtschaft in Köln (IW Köln) im Jahr 2005.
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