Die Weiterbildungsluege
zu betreiben |226| , in der vagen Hoffnung und ohne Garantieschein, dass sich am Ende die Maßnahme rechnet. Man hat höchstens schwarz auf weiß,
dass es ein Schuss in den Ofen war. Und das wird im Unternehmen ganz schön krachen, wenn Sie der Schütze waren. Solch ein
Blindschuss ist dabei eher die Regel als die Ausnahme, wenn man einmal die wenigen seriösen Längsschnittstudien zurate zieht.
These falsifiziert, heißt es da oft. Wissenschaftlich gesehen ein toller Durchbruch. In der Welt der Marktwirtschaft ist es
ein monetärer Selbstmord.
Der Geldbeutel entscheidet:
Messergebnisse sind beliebig manipulierbar
Apropros Wissenschaft. Professoren können sich aufgrund ihrer Rolle den Luxus erlauben, uns darauf hinzuweisen, dass die Welt
zu komplex ist, als dass man sie messen könnte. Der Punkt, um den es geht, drückt sich in der tiefschürfenden und wohlbekannten
Frage aus: Was war zuerst da – das Huhn oder das Ei? Gemeint ist damit, dass man bei jedem Messvorgang einen beliebigen Ausschnitt
der Welt herausnimmt und auf diese Weise nur bedingt in der Lage ist, im Sinne von »Wenn-dann-Aussagen« zu argumentieren.
Denn man weiß ja nicht, welcher Einfluss aus früheren Zeiten oder aus Zeiten nach einer Maßnahme wirkt.
Wenn man Weiterbildungserfolg nachweisen möchte, dann will man kausale Aussagen treffen wie: »Weil er im Seminar ›Gesundheitsbewusstes
Verhalten‹ war, raucht er seit einem Monat nicht mehr.« Vielleicht raucht er aber nur deshalb nicht mehr, weil das Seminar
das letzte Tüpfelchen auf dem i einer Zahl von Erlebnissen vor dem Seminar war. Ohne diese Vorgeschichte wäre vielleicht gar
nichts passiert. Dann ist aber sie der entscheidende Veränderungsfaktor und nicht das Seminar.
Dieser Logik folgend weist uns die Wissenschaft darauf hin, dass es praktisch unmöglich ist, Wirkungsmessungen zu betreiben,
bei denen nicht irgendwelche Störeinflüsse das Ergebnis verfälschen. |227| Das fängt mit der Tatsache an, dass der Vorgang als solcher schon etwas verändert. Man selbst kennt das ja, wenn der Arzt
den Blutdruck misst. Man ist aufgeregt und plötzlich schießen die Zahlen auf dem Display in die Höhe. Und so gibt es viele
störende Übungs und Testeffekte wie den Hawthorne-Effekt. Er besagt, dass Menschen ihr natürliches Verhalten ändern können,
wenn sie wissen, dass sie Teilnehmer an einer Untersuchung sind.
Eine weitere Störgröße bei der Erfolgsmessung drückt sich in dem vielzitierten Satz aus »You get, what you measure«. Ich las
folgende Geschichte über zwei Mitarbeiterinnen der Firma Rainbarrel Product. 95 In der Schlange vor dem Aufzug sagte die eine: »Ich muss ganz schnell an meinen Schreibtisch. Gerade, als ich gestern Abend
gehen wollte, kam eine E-Mail von dem Einkäufer bei Sullivan. Ich weiß, dass es da ein großes Problem gibt. Ich konnte mich
nicht überwinden, die Mail noch am Abend zu öffnen. Heute muss ich mich wohl durchringen und versuchen, bis 17 Uhr zu antworten.
Ich kann mir keine verspäteten Antworten mehr leisten, sonst wird aus meinen Zielvereinbarungen nichts.« Darauf die Kollegin:
»Bleib’ locker. Sie überprüfen doch nur, ob du deine E-Mails innerhalb von 24 Stunden nach dem Öffnen beantwortet hast. Du
öffnest sie einfach nicht, bevor du dich darum kümmern kannst.«
Als letzten Punkt eines wirklich umfangreichen Themas, mit dem sehr, sehr viele Bücher gefüllt sind, möchte ich erwähnen,
dass ein gravierender Messfehler darauf beruht, dass man niemals alle Menschen testen kann. Jede Stichprobe ist eine begrenzte
Auswahl, von der man mutig auf alle Menschen schließt. Doch ganz gleich, wie Sie es auch anpacken und was Sie aus dem Bereich
der Weiterbildung einer Wirkungsmessung unterziehen – Sie machen immer Fehler. Welche Sie bereit sind in Kauf zu nehmen, hängt
von Ihrem Untersuchungsinteresse ab, lehrt uns jedes Buch über die Grundlagen von Evaluation. Sie bekommen trotz größtem Aufwand
und ausgeklügelter Designs schlussendlich keine wahren Aussagen. Deshalb gibt es auch so viele Gutachten und Gegengutachten.
Welcher Befund am Ende bei Studien herauskommt, lässt |228| sich schlicht durch eine entsprechend ausgewählte Anzahl von Versuchspersonen und die Art der Fragen steuern. Es hängt nur
von der Dicke des Geldbeutels ab, wie lange und wie intensiv evaluiert wird.
Und damit schließt sich nun der Kreis, warum Personalentwicklung keinen Sinn ergibt: Obwohl die meisten
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