Die Welt der Kelten
keltischer Überlieferungen enthalten.
Auf diese Weise reicht die Welt der Kelten über Jahrtausende bis in die Gegenwart, wo sie überall präsent ist: mit ihren frühgeschichtlichen
Funden und Ausgrabungsstätten; in Museen und Ausstellungen; in den prachtvollen irischen Handschriften des frühen Mittelalters;
in den Märchen der keltischen Völker; in der Musik und auf der Bühne; in zahlreichen Verfilmungen des Arthur-Stoffes und der
Geschichten von Elfen, Kobolden und Monstern bis hin zu Literaturbestsellern wie den
Nebeln von Avalon
und dem
Herrn der Ringe
. Sogar der schnell um sich greifende Brauch des aus Amerika importierten Halloween-Festes wird auf die Kelten zurückgeführt.
|9| Dieser überraschenden Präsenz trägt das vorliegende Buch Rechnung, indem es nicht nur auf die spektakulären Funde der Archäologen
und auf die antiken Berichte über die keltischen Wanderungen eingeht, sondern ebendiesen Spuren der Kelten bis in die Gegenwart
folgt. Es präsentiert außer den historisch greifbaren Kelten der Vergangenheit diejenigen Vorstellungen, die man sich seit
mehr als 200 Jahren von ihnen macht. Dementsprechend entsteht vor den Augen des Lesers eine bunte, oftmals bizarre und rätselhafte
Welt, deren Darstellung gleichwohl auf aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert. Die Kelten erweisen sich nicht
nur als historisches Volk – sie entpuppen sich auch als ein Ideal der fernen Vergangenheit, mit dem der moderne Mensch seine
Wünsche, Sehnsüchte und Fantasien verbindet.
Arnulf Krause im August 2004
|11| 1. Die Kelten – Ein frühgeschichtliches Volk ist hochaktuell
Wie Wesen einer anderen Welt
Die Kelten – fern im Norden jenseits der Gebirge und Wälder hausten sie, karg waren ihre Hütten und ihr ganzes Leben, nackt
und kampfwütig traten sie dem Feind entgegen, Todesfurcht kannten weder ihre Männer noch Frauen, Kopfjäger waren sie, und
die Krieger suchten untereinander ihre sexuelle Lust zu befriedigen, doch Kindern glichen sie in der Gier nach Essen und Trinken,
in der hemmungslosen Prahlerei … Den Griechen und Römern galten sie als höchster Ausbund des Unzivilisierten, als die Barbaren
schlechthin. In dieser Rolle schildern die antiken Gelehrten aus Rom und Athen die Kelten in ihren Werken, denen die erwähnten
Eigenarten |12| entnommen sind. Seitdem mussten diese mit einer Fülle von Klischees und Vorurteilen leben, was sie selbst herzlich wenig kümmerte.
Aber die Nachwelt, die ihren verwitterten Spuren folgte, hatte in den Schriften der alten Geschichtsschreiber zwischen Dichtung
und Wahrheit zu unterscheiden. Von Anfang an stieß sich das Bild, das sich andere von den Kelten ausmalten, mit deren eigentlicher
Wirklichkeit, die zwischen antiken Kommentaren und archäologischen Funden zu suchen ist.
Doch ohne die Griechen Hekataios und Herodot, die als Erste die vermeintlichen Barbaren des Nordens erwähnten, sowie ihre
zahlreichen Nachfolger wären die Kelten ein Volk ohne Namen geblieben. Ähnlich wie die älteren Großsteingräber- oder die Streitaxtleute
wären sie zweieinhalbtausend Jahre später nach einem archäologisch greifbaren Charakteristikum benannt worden: als Volk der
Fürstengrabhügel oder Eisenschwertleute, als Menschen der Barbarenstädte oder Europas Kopfjäger. Aber dieser Auswahl bedurfte
es nicht; denn die Kelten sind das älteste Volk nördlich der Alpen, dessen Name bekannt geblieben ist. Dagegen kennt man nicht
die Namen derer, die lange vor ihnen das Heiligtum des südenglischen Stonehenge erbauten, oder derjenigen, welche die so genannte
Himmelsscheibe von Nebra im heutigen Sachsen-Anhalt benutzten. Die Kenntnis des Namens schafft ein Gefühl von Vertrautheit
und Identität, das allerdings |13| trügerisch sein kann. Bei den Kelten erweckt es den Eindruck, die Existenz und Wesensart dieses Volkes lasse sich über mehr
als zweieinhalb Jahrtausende bis in die Gegenwart verfolgen.
Streng genommen drückt deren Bezeichnung recht wenig aus: Die Griechen und Römer übernahmen wahrscheinlich die von den barbarischen
Stämmen verwendeten Eigennamen Kelten, Gallier und Galater, was soviel wie »die Herausragenden« und »Mächtigen« bedeutete.
Diese knüpften an den weit verbreiteten Brauch an, sich selbst möglichst vorteilhaft zu benennen. Die Menschen der mediterranen
Hochkulturen bezeichneten damit unterschiedslos eine Vielzahl von Stämmen im Norden, die sie unter anderem durch die
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