Die Welt der Kelten
sind sogar mehr geworden – wie in diesem Buch gezeigt werden wird.
Jedenfalls verlieren sich die Wurzeln der Kelten nicht in fernen Ländern, sondern in den schriftlosen Tiefen der europäischen
Vorgeschichte. Dort vermutet man um 2000 vor Chr. in der Tat eine große Einwanderung aus den östlichen Steppengebieten – die
der so genannten Streitaxtleute. Diese Menschen, die nach sprachlichen Kriterien auch Indogermanen genannt werden, trafen
in vielen Gebieten auf die Großsteingräberleute, deren markante Zeugnisse wie Stonehenge oder die Menhire in der Bretagne
später fälschlich den Kelten zugeschrieben wurden. Die Zugewanderten mischten sich mit den Alteingesessenen, prägten von nun
an das Geschick des Kontinents und wurden zu Trägern der Bronzezeitkultur. Diese wirkt mit ihren vortrefflichen handwerklichen
Erzeugnissen, reichen Häuptlingsgruppen und regen Handelsbeziehungen in alle Himmelsrichtungen wie eine Vorwegnahme der späteren
keltischen Kultur. Schließlich kam es im Laufe des 13. Jahrhunderts vor Chr. zu einer revolutionären Neuerung im Umgang mit
den Toten. Statt der bis dahin üblichen Beerdigung ihrer Körper verbrannte man die sterblichen Überreste und setzte sie in
Urnen bei. Diese haben der bis 800 vor Chr. währenden Epoche den Namen gegeben: die Urnenfelderzeit.
In jener Epoche lagen die unmittelbaren Wurzeln der keltischen Kultur. In diesen Anfängen zeigte sich, wie notwendig auch
fremde Anregungen |17| waren, um eine eigenständige Zivilisation entstehen zu lassen. Die Männer und Frauen der späten Bronzezeit erwiesen sich offen
gegenüber Neuerungen in allen Lebensbereichen. Schon seit mehr als 1 000 Jahren hatten Schiffe an den westlichen Küsten Europas
verkehrt und das Mittelmeer und den Norden bis einschließlich der Britischen Inseln miteinander verbunden. Dort hatten Gold
sowie das zur Bronzegewinnung notwendige Zinn das Interesse der Händler geweckt. Diese uralten Routen zu Wasser und zu Land
befuhren noch in der späten Bronzezeit die Händler und Siedler, Krieger und Söldnergruppen. Zwischen der Nordsee und dem Mittelmeer
entwickelten sich ein reger Austausch und wirtschaftliche wie kriegerische Aktivitäten, zu deren fernen Auswirkungen sogar
die Invasion Ägyptens durch Barbarenvölker und die Zerstörung Trojas zu zählen sind.
Aber neben Krieg und Vernichtung prägten vor allem kontinentweite Veränderungen diese Epoche, die durch die überall geschätzte
Technik der Bronzeherstellung ein einheitliches Profil annahm. Ohne dass man an ihrem Ende schon von den Kelten sprechen kann,
bildeten sich zu jener Zeit deren Grundlagen heraus. Dazu gehörten weiträumige Verbindungen und die Fähigkeit, Neues aufzunehmen
und nach eigenen Maßstäben umzuformen. Die Kelten sollten es darin zur Meisterschaft bringen, wie sich schon in den frühesten
ihnen zugeschriebenen Funden zeigt. Als solche sieht man die prächtigen Beigaben an, die verstorbenen Fürsten mit in ihr Hügelgrab
gegeben wurden. Deren Macht- und Einflussgebiete erstreckten sich um das 6. Jahrhundert vor Chr. vom östlichen Frankreich
nach Südwestdeutschland und in die Nordschweiz. Dieses Gebiet gilt mittlerweile als Ausgangsregion der eigentlichen keltischen
Kultur – die damit ihre Heimat nicht in fernen Ländern, sondern im Herzen Europas gehabt hätte.
Das Dunkel lichtet sich; doch in der Morgendämmerung ihrer Entstehung bleiben die Kelten ein Volk voller Rätsel. An die Stelle
abenteuerlicher Einwanderungserklärungen ist etwas getreten, was als das Geheimnis des keltischen Geistes bezeichnet werden
kann – oder ihrer Seele. Denn was jene Menschen im letzten Jahrtausend vor Chr. glaubten und dachten, bleibt weiterhin in
vielen Einzelheiten ungeklärt. So ist Europa gebannt und fasziniert von seinen Vorfahren und deren Kultur, die ihm nah scheinen
und deren Überreste doch rätselhaft und fremdartig sind.
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Das verborgene keltische Erbe in der Sprache und in den geografischen Namen
In sprachlichen Zeugnissen bleibt das keltische Erbe präsent, obwohl es nicht offensichtlich ist. Dies gilt auch für eine
germanische Sprache wie das Deutsche, von dem hier allein gesprochen werden soll. In ihm lassen sich unter anderem die folgenden
Wörter auf die Kelten zurückführen:
Amt: Hinter dieser wichtigen Bezeichnung verbirgt sich das keltische Wort
ambaktos
»Gefolgsmann«. Im Englischen ist daraus
embassy
und im
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