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Die Witzekiste

Die Witzekiste

Titel: Die Witzekiste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lentz
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wieder so ein Frühling sein, genauso schön, mein Schatz, wie heut, vielleicht steht unsere Bank dann immer noch im Sonnenschein, doch die da sitzen, das sind leider and’re Leut.«

    Mit ›Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt‹ schenkte die leichte Muse ihren Zuhörern einen langlebigen »Ohrwurm«; sieweckte damit die Sehnsucht nach südlichen Gestaden, die für »Otto Normalverbraucher« damals noch nicht erreichbar waren. »Otto Normalverbraucher« war die leibhaftige Karikatur des Nachkriegsdeutschen, die Günter Neumann und Robert A. Stemmle für ihre geistreiche Film-Satire ›Berliner Ballade‹ erfunden hatten. Der damals noch spindeldürre Gert Fröbe spielte ihn als hinfälligen Kauz, der durch die Ruinen Berlins stiefelte. Der Wind pfiff ihm durch die Backen, und er trug eine alte Wehrmachtsmütze auf dem Kopf, die vom Volksmund »Arsch mit Griff« genannt wurde.
    Am 8. September 1945 eröffnete mit ›Orpheus und Eurydike‹ in Berlin das erste Opernhaus, München folgte am 18. November mit ›Fidelio‹, und am 10. Dezember öffneten die Hamburger Kammerspiele den reparierten Vorhang.
    Wo blieb der Witz? Schlief er noch im Luftschutzkeller, weil sein Hauptlieferant, der Volksmund, nichts zu lachen hatte? Es gab ein paar zeitbezogene Miniaturen.

    Tünnes trifft Schäl am Bahnhofsvorplatz in Köln.
    »Wo kommst du her?«, fragt Tünnes.
    »Du , ich war in Düsseldorf.«
    »Gibt’s da was Neues?«
    »Ja , stell dir vor« , sagt Schäl, »sie haben den Adolf-Hitler-Platz in Graf-Adolf-Platz umbenannt.«
    »Na ja« , meint Tünnes, »das hat er schließlich auch verdient.«

    War Tünnes ein unverbesserlicher Parteigenosse?
    »Ein neues Leben blüht aus den Ruinen« – auch das Kabarett wurde neu geboren. Das »Kom(m)ödchen«, die »Lach- und Schießgesellschaft«, die »Amnestierten«, die »Insulaner«. Auch über alte Profis wie Werner Finck kehrte der Witz via Kleinkunstbühne in unser Leben zurück. Im Düsseldorfer »Kom(m)ödchen« wurden seit dem 29. März 1947 Witze gespielt und klangen so:

    Zwei Freunde betrachten ein Klassenfoto.
    »Das ist doch Erwin, was macht der denn jetzt?«
    »Erwin ist für Hagenbeck in Indien und fängt Tiger.«
    »Und da, Alfred , was tut der?«
    »Alfred reist für ›Bayer‹ durch Lateinamerika. Er fängt Schlangen, presst denen das Gift aus und lässt sie wieder laufen. Das Gift wird für Heilmittel gebraucht.«
    »Und Hannes?«
    »Hannes ist hier im Lande geblieben.«
    »Ja« , sagt der andere nachdenklich, »der war ja schon immer so eine Abenteurernatur!«

    Kurze Zeit nach dem Waffenstillstand verbot die amerikanische Militär-Regierung ihren in Deutschland stationierten Soldaten, sich mit den Besiegten zu verbrüdern. Aber nur die wenigsten GIs hielten sich daran. Allein oder mit anderen versuchten sie, die Objekte ihrer Begierde – entgegenkommende deutsche Fräuleins – mit all den begehrten Sachen zu ködern, die auch der Hollywood-Star Tyrone Power in Billy Wilders Film ›Zeugin der Anklage‹ der schönen Marlene Dietrich in der Rolle einer Hamburger Barsängerin anbot: Seidenstrümpfe, Schokolade, Bohnenkaffee, Whisky, Zigaretten.

    Hinz aus der Ostzone trifft seinen Vetter Kunz aus der Westzone in einer Berliner Kneipe.
    »Na , wie geht es denn so?«, erkundigt sich Kunz.
    »Wir können nicht klagen« , sagt Hinz. »Abends , wenn wir mit der Arbeit fertig sind, fahren uns die Russen sogar mit Lastwagen nach Hause. Und wie sieht’s bei euch im Westen aus?«
    »Sagenhaft« , meint Kunz. »Man wird von den Amerikanern mit Luxusautos abgeholt und in eine Villa gefahren. Dort gibt es Sekt, Zigaretten , ein heißes Bad. Und nach der Arbeit wird man wieder nach Hause gefahren.«
    »Toll« , sagt Hinz, »und das passiert dir jeden Tag?«
    »Mir nicht« , antwortet Kunz, »aber meiner Schwester.«

    Kleine Scherze zur Lage. Chris Howland hat sie besungen, die »Frolleins«.
    Die meisten Witze, die nach 1945 vorwiegend unter Männern erzählt wurden, lagen unterhalb der Gürtellinie und waren altersschwach. Es gab aber auch Beispiele eines leiseren Humors, der mit seinen weniger eindeutigen Pointen und absurden Zwischentönenaus der Provinz weitergereicht wurde, aus den Kleinstädten und Dörfern. Oder die Flüchtlinge aus Schlesien oder Ostpreußen hatten sie mitgebracht.

    Mutter Frintrop kommt mit ihren dreizehn Kindern zum Fotografen, um ein Familienfoto zu bestellen. Der Meister bringt die Gruppe in Position und drückt auf den

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