Die Wohltaeter
Gutes tun«. Eigentlich war es sogar unmöglich. Insbesondere, wenn jemand anrief und persönlich darum bat.
Ninos watschelte in Richtung Badezimmer. Rieb sich mit einem weichen Handtuch das Gesicht ab und vermied es, sich im Spiegel anzusehen. Der Tag, an dem ich mich wieder ansehen möchte, ist noch nicht gekommen. Dann wandte er sich doch abrupt dem Spiegel zu, um sich einen Schreck einzujagen und kurzen Prozess zu machen.
Mit seinem kräftigen, dunkelgelockten Haar, seinen markanten Gesichtszügen und seinem schön geformten Mund betrat Ninos selten einen Raum, ohne dass die Menschen auf ihn aufmerksam wurden. Bei gesellschaftlichen Anlässen außerhalb seiner eigenen Gemeinschaft sahen die meisten in ihm einen hübschen Immigranten. Jetzt dagegen sah er ein wenig mitgenommen aus, das Haar hing in wilden Strähnen über ein verschwollenes Gesicht. Dort hatte nichts genäht werden müssen, aber es fühlte sich noch immer an, als hätte er blaue Flecken unter der Haut. Er beugte sich zum Spiegel und öffnete seinen Mund. Gelbe Zähne hatte er auch noch bekommen! Und das zählte zu den widerwärtigsten Dingen, die er kannte. Fünfunddreißig Jahre alt und nicht mal mehr gutaussehend, dachte er verärgert. Er wackelte aus dem Badezimmer und legte sich aufs Sofa, nachdem er einige Papiere von dort auf den Boden geschoben hatte. Hier lag auch sein altes Mobiltelefon. Kaum hatte er es eingeschaltet, fing es auch schon zu klingeln an, und als er daran herumfingerte, um es wieder abzuschalten, kam er stattdessen auf die Abhebentaste.
»Wie lautet der neue Code?«
Es war Zoran. Ninos hatte keine Lust, überhaupt irgendjemanden zu sehen, aber am wenigsten Zoran.
»Ich hab keine Lust.«
»Macht nichts«, entgegnete Zoran fröhlich. »Stell schon mal den Käse raus.« Dann legte er auf.
Ninos wünschte, er hätte Zeit gehabt zu erklären, dass er keinen Besuch zu empfangen wünsche. Dass seine Ohren keine Lust auf Zorans Geschwätz hatten. Er lehnte sich im Sofa zurück und bemühte sich, wacher zu werden. Er wusste, wie gleichgültig es Zoran war, ob Ninos jemanden sehen wollte oder nicht. Noch nicht einmal den neuen Code hatte Zoran abgewartet. Aber Türcodes oder verschlossene Türen im Allgemeinen waren für Zoran noch nie ein Problem gewesen.
Ninos ging langsam in die Küche und nahm einen Behälter aus dem Kühlschrank. Seit Ninos’ Mutter in Järna außerhalb von Södertälje Bauern gefunden hatte, die ihr unpasteurisierte Milch verkauften, hatte der selbst hergestellte, geflochtene Käse Ninos und seinen Geschwistern zu großer Popularität verholfen.
Um den Käse genießbar zu machen, nachdem man ihn aus der Salzlake gehoben hatte, musste er gespült werden, sodass Ninos nun ein Stück davon abbrach und es wusch, während er auf Zorans Ankunft wartete.
» Wasmachsu? Dich selbst bemitleiden?«
Alle wussten, dass Ninos’ Tür meistens unverschlossen war, und Zoran war geradewegs hereingeschlüpft. Trotz einer beachtlichen Erkältung schien er blendender Laune. Entweder eine neue Freundin oder ein neues Geschäft oder beides, vermutete Ninos.
»Du wohnst in einem Höllenloch. Ich krieg Klaustrofobia, wenn ich hierherkomme«, klagte Zoran, während er sich in der Wohnung umsah.
»Dann hau wieder ab! « Ninos lächelte seinen ungebetenen Gast angestrengt an.
Zoran antwortete nicht, sondern setzte sich an den Küchentisch und stopfte sich kleine, dünne Fasern des Käses in den Mund, den Ninos zusammen mit etwas selbstgebackenem Brot von seiner Schwester Meryem auf den Tisch gestellt hatte. Ninos ließ sich schwer auf den Stuhl gegenüber fallen und versuchte, aus Höflichkeit etwas mitzuessen, obwohl ihm ein wenig übel war.
Zoran und Ninos waren sich zum ersten Mal an einem Nachmittag im Frühjahr 1989 begegnet. Es war kurz nach dem Ende des Mittagstischs gewesen, und Ninos, seine Tante und zwei seinerCousins waren gerade mit dem Abräumen fertig geworden. Die Familie hatte sich kaum hingesetzt, um selbst etwas zu essen, als zwei junge Männer slawischen Aussehens das Restaurant betraten. Ninos ging zu ihnen und leierte artig die Tagesgerichte herunter, die noch nicht aus waren. Aber die beiden antworteten, dass sie nichts essen, sondern mit dem Inhaber sprechen wollten. Daraufhin stand Ninos’ Tante Julia auf und stellte sich als Mitinhaberin vor. Die Jugoslawen plusterten sich auf, und derjenige der beiden, der besser Schwedisch sprach, ergriff in einem sanften Tonfall das Wort:
» Bre, das
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