Die Wohltaeter
eigene Zeit und die Gesellschaft, in der sie lebte. Es warwohl ganz natürlich, dass sie eine Gesellschaft verändern wollte, die in die Hände von Faschisten und Mördern gefallen war. Am Ende, nachdem sie erkannt hatte, dass niemand ihr zuhörte, hatte sie zur Gewalt gegriffen. Und war bezwungen worden. Man hatte sie umgebracht, als sie sich allein in ihrer Zelle befand. Später wurde behauptet, dass sie und ihre Kameraden Selbstmord begangen hätten. Doch alle, die ihnen nahestanden, wussten, wie es in Wirklichkeit zugegangen war. Sie waren hingerichtet worden.
Mich werden sie niemals bezwingen, dachte sie und ging zum Spiegel. Es war besser, sich die Welt langsam und geduldig untertan zu machen, als sich in eine Ecke drängen zu lassen, unabhängig davon, ob man bewaffnet war oder nicht. Es gab so viele, die helfen wollten. Sie alle trugen zum Kampf bei, ohne zu wissen, worin er bestand. Auf diese Weise würden sie nach und nach Teil einer neuen Weltordnung werden.
Das war Gerechtigkeit.
Sie stellte sich vor den Spiegel und biss die Zähne zusammen. Drehte den Kopf ein wenig zur Seite, damit die Wangenknochen hervortraten.
Sie glich ihrer Mutter. Daran bestand kein Zweifel.
EPILOG
Nun hielt der Sommer tatsächlich Einzug, und Ninos’ Nackenschmerzen drohten nur jeden zweiten Tag damit, ihn umzubringen. Er saß vor dem Café seines Cousins in der Nybrogata in der Sonne und beschäftigte sich lediglich damit, ein wenig hinter seiner neuen Sonnenbrille hervorzublinzeln.
Er konnte es sich leisten, einfach nur dazusitzen und sich aufzuwärmen. MackMire lief ausgezeichnet, und sie hatten gerade den Auftrag erhalten, für ein paar Tage alle Politiker auf einer traditionellen Veranstaltung in Almedal mit Sandwiches zu versorgen. Eine der kleineren Oppositionsparteien lud dazu ein. Eine Quittung war nicht erforderlich, das PR-Büro würde alles in bar zahlen. Natürlich musste der Preis dadurch etwas niedriger sein. Im Gegenzug hatte die Reinigungsfirma von Ninos’ Onkel jedoch für zwei Jahre den Auftrag erhalten, alle Büroräume der Partei am Mynttorget zu putzen. Die Politiker schienen nette Menschen zu sein, denn als Extrawunsch hatten sie lediglich um Paprika in verschiedenen Farben gebeten, daran mussten sie also in jedem Fall denken. Das, und etwas Presshuhn, das er in großen Eimern aus Litauen hatte kommen lassen.
Die Klosterschule im Libanon würde neue Schüler aufnehmen – und Vater Yakup war es gelungen, in der Zeit vor der drohenden Schließung in Södertälje so viele Spenden zu sammeln, dass sie im nächsten Schulhalbjahr sogar noch expandieren konnten. Eine bedeutende Summe war von einem Spender aus Italien gekommen, der sich lediglich als »FERT« zu erkennen gab. Das hatte Ninos zum Schmunzeln gebracht. Die schwedische Entwicklungshilfewürde eventuell noch einmal umverteilt, aber das Kloster würde vorerst auch ohne sie auskommen.
Alle HHH-Geschäfte in Schweden waren geschlossen und sämtliche Vorstandsmitglieder darüber informiert worden, dass sie unter dem Verdacht der Steuerhinterziehung standen. Die Ermittlungen über Møller fanden in Dänemark statt, und Flemming Kragerup meldete sich hin und wieder mit lebhaften Berichten. Die meisten grünen Container waren mittlerweile von den Kommunen entfernt worden.
Weder die Regierung noch Sida planten eine Untersuchung dar über, wo die an Zimbabwe und andere Länder ausgezahlte Entwicklungshilfe geblieben war. Die Entwicklungshilfeministerin hatte jedoch mitgeteilt, dass die Regierung tatkräftig agiere, indem sie eine Untersuchungskommission zum Thema Das globale Problem der Armut – was kann Schweden dagegen unternehmen? ins Leben rief. Es habe keinen Zweck, die alten Projekte zu untersuchen, viel wichtiger sei es, eine neue Strategie für die Zukunft zu finden, hatte die Ministerin erklärt. Mit den Worten »wir wollen nach vorn blicken« hatte sie fast alle Sätze eingeleitet, die sie in einem live übertragenen Samstagsinterview im Radio von sich gegeben hatte.
Der Vorsitz der Kommission war an einen ehemaligen Parteikameraden und jetzigen Generaldirektor gegangen, der die letzten Jahre bei vollem Lohn arbeitslos gewesen war. Er hatte voller Stolz mitgeteilt, dass eine »ordentliche Durchleuchtung« angebracht sei und er damit rechne, seinen Bericht in frühestens drei Jahren vorzulegen. Die Regierung hatte bestätigt, dass bereits geplante Projekte in Zimbabwe während dieser Zeitspanne nicht eingestellt würden.
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