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Die Wolke

Die Wolke

Titel: Die Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrun Pausewang
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Jannchen bekommt Kakao, wie immer. In deinem Alter ist Kaffee noch Gift.«
    Sie beugte sich über Janna-Bertas Tasse und schenkte ihr Kakao ein. Janna-Berta setzte sich auf die Stuhlkante, bereit, jeden Augenblick aufzuspringen.
    »Aber jetzt sag mir doch bloß mal, Kind, warum ihr Coco nicht mitgenommen habt«, sagte Opa Hans-Georg, und Janna-Berta merkte, wie er sich Mühe gab, seine Stimme nicht zu vorwurfsvoll klingen zu lassen. »Als wir herkamen, fanden wir das arme Tier verhungert im Käfig. Wenn ihr's wenigstens freigelassen hättet! Wie konnte das nur passieren?«
    »Wir haben ihn vergessen, Opa«, sagte Janna-Berta.
    »Vergessen?« riefen Oma und Opa wie aus einem Mund und starrten Janna-Berta bestürzt an.
    »Ich habe geweint, als ich ihn fand«, seufzte Oma Berta.
    Janna-Berta blieb stumm.
    »Nun ja«, sagte Opa Hans-Georg versöhnlich, »wir wollen uns diesen schönen Nachmittag nicht mit Vorwürfen verderben. Schwamm drüber.«
    Eine Pause entstand. Janna-Berta starrte auf die Blümchen der Kaffeedecke und dachte an Uli. Leise klingelten die Kaffeelöffel in den feinen Porzellantassen. Eine Wespe kreiste über dem Kuchen.
    »Nimm doch die Mütze ab, Kind«, sagte Opa Hans-Georg.
    Janna-Berta schüttelte den Kopf. Sie langte nach einem Stück Kuchen. Sie hatte an diesem Tag noch nichts gegessen, nicht einmal gefrühstückt. Sie stopfte. Ein Stück gute alte Zeit, garantiert verseucht. Sie versuchte, gar nicht daran zu denken.
    »Die Mütze, Jannchen, die Mütze«, erinnerte sie Opa Hans-Georg. »Du hast sie noch immer auf dem Kopf.«
    »Laß sie doch«, sagte Oma Berta, an den Opa gewandt – und dann zu Janna-Berta: »Sicher hast du sie selber gestrickt und bist stolz auf sie. Ich finde sie auch wirklich wunderhübsch. Du auch – nicht wahr, Hans-Georg?«
    »Mich stört die Farbe«, sagte Opa Hans-Georg. »Von weitem könnte man das Kind damit für eine alte Dame mit weißem Haar halten. Zumal sie ja ihr eigenes Haar ganz und gar darunter versteckt hat.«
    Oma Berta legte ihre Hand auf Janna-Bertas Arm und sagte mit einer eigensinnigen Kopfbewegung: »Mir gefällt sie. Und gerade die Farbe finde ich zauberhaft. Außerdem«, sie beugte sich wieder zu Opa Hans-Georg hinüber, »vergiß nicht, daß das Kind eine Menge Aufregung hinter sich hat.«
    »Allerdings«, sagte Opa Hans-Georg und setzte geräuschvoll seine Tasse ab. »Viel zuviel Aufregung. Unnötige Aufregung. Deutsche Hysterie. Wir sind hier neunzig, hundert Kilometer von Grafenrheinfeld entfernt, und auf den puren Verdacht hin scheucht man gleich die gesamte Bevölkerung fort. Wegen eines Verdachts legt man Fabriken still, läßt man das Vieh krepieren und die Ernte verkommen. Mir ist das einfach unverständlich. Es hätte doch genügt, wenn man Schwangere und Kinder für eine oder zwei Wochen evakuiert hätte. So wie es die Russen damals auch gemacht haben. Das muß man denen lassen: Die haben nach diesem Tschernobyl gezeigt, wie man solche Dinge in den Griff bekommt.«
    Janna-Berta öffnete den Mund. Aber Oma Berta kam ihr zuvor.
    »Aber Hans-Georg«, sagte sie, »es heißt doch, bei der Katastrophe in Grafenrheinfeld sei neunmal so viel Radioaktivität ausgetreten wie in Tschernobyl.«
    Sie hob, wie immer, ihre Tasse mit abgespreiztem kleinen Finger und trank genüßlich.
    »Uns kann man viel erzählen«, sagte Opa Hans-Georg finster. »Denk doch nur daran, was für eine Hysterie hier nach Tschernobyl ausgebrochen ist! Und wenn ihr mich fragt, dann sind es heute wieder dieselben, denen die Katastrophe gar nicht groß genug sein kann. Kernkraftgegner, Weltverbesserer, das ganze grüne Gesocks, das uns zurückschicken will in die Steinzeit.«
    Janna-Berta kamen wieder die Figürchen vom Wandbord im Nothospital in den Sinn. Sie wünschte sich, Steine zu haben, viele handliche Steine. Sie schaute sich um. Hier auf dem Balkon gab es keine Steine. Nicht einmal ein Holzscheit oder einen Briefbeschwerer. Ihr Blick blieb am Kakaokännchen hängen. Sie umfaßte es mit beiden Händen und hob es hoch.
    »Schön heiß, nicht wahr«, sagte Oma Berta mit liebevollem Lächeln. »Trink nur.«
    Janna-Berta ließ das Kännchen wieder sinken. Nein.
    »Aber in den Zeitungen war doch von so vielen Toten die Rede«, sagte Oma Berta zu Opa Hans-Georg.
    »Hast du sie gesehen?« antwortete er mürrisch. »Natürlich, im Kraftwerk und drum herum. Und dann das Verkehrschaos ...«
    »Sie schreiben, es waren achtzehntausend«, sagte Oma Berta.
    Opa Hans-Georg winkte

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