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Die Wolke

Die Wolke

Titel: Die Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrun Pausewang
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plötzlich vor Meike, ihrer Freundin aus Fulda. Meike fiel ihr um den Hals, aber ihr Vater stand auf dem Parkplatz und winkte.
    »Ich muß gehen«, sagte sie hastig, »er ist jetzt immer so unleidlich, wenn nicht alles gleich klappt, wie er sich's gedacht hat.«
    »Elmar ist tot«, sagte Janna-Berta.
    »Elmar?« rief Meike bestürzt. »Weißt du, daß auch Ingrid –? Nein? Morgen komm ich wieder, dann erzähl ich dir alles!«
    Janna-Berta ließ den Stuhl stehen, den sie gerade zur Tribüne hatte tragen wollen, und ging auf das Gebäude zu, das die Stadt als Hibakusha-Zentrum zur Verfügung gestellt hatte. Sie brauchte jetzt einen leeren Raum, in dem sie in Ruhe nachdenken konnte.
    »Janna-Berta! Janna-Berta!« hörte sie Irmelas piepsige Stimme aus der Ferne rufen. Aber sie drehte sich nicht um.
    »Der Bürgermeister wird als Schirmherr der Veranstaltung sprechen!« hörte sie Almuts Stimme aus einem der offenen Fenster hallen.
    Als sie sich dem Eingang näherte, der gerade mit Girlanden geschmückt wurde, hörte sie ihren Namen rufen. Sie stellte sich taub. Sie wollte jetzt in Ruhe gelassen werden. Ingrid war tot! Sie sah ihr lachendes Gesicht vor sich. Und dann fiel ihr das Pausenbrot ein, das sie fast jeden Tag getauscht hatten. Auf Ingrids Brot hatte immer eine dicke Scheibe Räucherfleisch oder Leberkäs gelegen. So was gab's daheim bei Janna-Berta nie. Sie hatte Käse zu bieten – feine Käsesorten. Einmal war sie auch bei Ingrid in der Rhön gewesen, auf dem kleinen Bauernhof.
    »Janna-Berta!« rief die Männerstimme noch einmal.
    Es half nichts, sie mußte sich umdrehen. Es war Lars, Lars aus Schlitz, in dessen Wagen sie am Unglückstag heimgekommen war.
    Er übersah ihren Kahlkopf. Lange schüttelte er ihre Hand. »Komm mit«, sagte er. »Meine Eltern sitzen dort am Tisch. Miltners sind auch da. Ihn kennst du – der Tischtennistrainer.«
    »Ich hab keine Zeit«, sagte sie zögernd. »Ich helfe hier meiner Tante.«
    »Interessiert dich nicht, was ich von Schlitz zu erzählen habe?« fragte er. »Ich war gestern dort.«
    Sie sah ihn groß an. Dann ging sie mit. Lars' Mutter lächelte verlegen, als sie Janna-Bertas kahlen Kopf sah, und konnte den Blick nicht von ihm wenden.
    »Ich hab eine Perücke«, sagte Janna-Berta, »aber ich setze sie nicht auf.«
    Lars' Mutter starrte sie verständnislos an, dann schüttelte sie den Kopf. »Ich hätte nicht den Mut, so herumzulaufen«, sagte sie zu Frau Miltner, die Janna-Bertas Hand nahm und »Herzliches Beileid« murmelte.
    »Mama!« rief Lars.
    Er drückte Janna-Berta auf die Bank und begann hastig zu erzählen. Daß sie jetzt in Mainz lebten. Daß der Zahnarzt mit seiner Familie in Venezuela bei Verwandten und Soltaus in ihrer Ferienwohnung in Marbella seien. Und Trettners in Kanada.
    »Die Trettners hatten das meiste Glück«, sagte Lars' Mutter vorwurfsvoll. »Weiß der Himmel, was für Beziehungen die hatten. Wir haben dreimal in der kanadischen Botschaft vorgesprochen. Berge von Formularen haben wir ausgefüllt. Alles umsonst. Verseuchte lassen die nicht rein. Dabei sind wir gar nicht verseucht. Aber wie soll man das denen beweisen?«
    »Und wie sieht's in Schlitz aus?« fragte Janna-Berta.
    »Jetzt gehen wir nach Südafrika«, sagte Lars' Mutter. »Die sind noch menschlich. Die lassen jeden Deutschen rein, verseucht oder nicht. Miltners gehen auch mit. In drei Wochen ist es soweit.«
    »Und wie sieht's in Schlitz aus?« fragte Janna-Berta noch einmal.
    »Jordans sind vorgestern schon hin«, antwortete Lars' Mutter. »Und die Heimbachs sind heute morgen abgefahren. Manche wollen erst noch das Treffen hier abwarten, bevor sie zurückgehen. Aber so, wie's mal war, wird's wohl nie wieder. Viele werden dort nicht mehr wohnen wollen.«
    Sie redete und redete und ließ sich nicht mehr unterbrechen: Aus der ganzen Bundesrepublik werde in Scharen ausgewandert. Nicht nur die Evakuierten flüchteten. Die ausländischen Konsulate würden regelrecht bestürmt. Sie könne ein Lied davon singen! Erst hätten sie in die Staaten gewollt. Nichts zu machen. Dann nach Kanada. Auch nichts. Auf dem türkischen Konsulat hätte man sie ausgelacht.
    Sie kam immer mehr in Fahrt: »Die meisten wollen nach Südamerika. Dort kommt man nur rein, wenn man Geld hat. Je mehr Geld man hat, um so mehr Türen stehen einem offen. Unser Hausarzt ist nach Kenia gegangen. Als Arzt hat der natürlich mehr Chancen als unsereiner. Auch die Nepalesen sollen großzügig sein. Aber wer will schon ans

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