Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe
ein Gespräch mit ihr an. Da erzählte sie ihm von dem alten Riesen, ihrem Vater, von dem Versprechen, das sie hatte geben müssen, und von der Schwester, die den Bruderteil bekommen hatte.
‚Ach, es ist mir in der Seele zuwider, wenn ich die armen unschuldigen Tröpfe, die meinen Kupferberg entdecken, immer gleich umbringen muß, undich wünschte, ich hätte die Erbschaft gar nicht angetreten,‘ sagte die Riesin. ‚Aber was ich versprochen habe, muß ich halten.‘ Und damit machte sie sich wieder an dem Felsblock zu schaffen.
‚Habe es nur nicht gar so eilig!‘ rief der Bauer. ‚Mich brauchst du deines Versprechens wegen nicht umzubringen, denn ich habe ja das Kupfer nicht entdeckt; der Bock ist es gewesen, und ihn hast du doch schon erschlagen.‘
‚Meinst du, ich könnte mir daran genügen lassen?‘ fragte die Riesentochter mit zweifelnder Stimme.
‚Ja, sicherlich,‘ antwortete der Bauer. ‚Du hast dein Versprechen treulich gehalten, mehr kann niemand von dir verlangen.‘ Und er redete ihr so verständig zu, bis sie ihn wirklich am Leben ließ.
Zu allererst zog der Bauer nun mit seinem Vieh heimwärts. Dann ging er hinunter in den Bergwerkdistrikt und dingte sich da ein paar Bergleute. Diese halfen ihm, an der Stelle, wo der Bock erschlagen worden war, nach dem Erz zu schürfen. Im Anfang hatte er Angst, er würde noch nachträglich erschlagen; aber die Riesentochter war der ewigen Bewachung ihres Kupferbergs überdrüssig geworden, und deshalb tat sie ihm nie etwas zuleid.
Die Erzader, die der Bauer entdeckt hatte, lief an der Oberfläche des Berges hin. Das Ausbrechen des Erzes war deshalb weder eine schwierige noch eine mühselige Arbeit. Der Bauer und die Knechte schleppten Holz aus dem Walde herbei, schichteten große Holzstöße auf dem Kupferberg auf und zündeten sie an. Von der Hitze zersprang das Gestein, und nun konnten sie leicht zu dem Erz gelangen. Hierauf läuterten sie das Erz so lange immer wieder in einem andern Feuer, bis sie das reine Kupfer von allen Schlacken befreit hatten.
In früheren Zeiten verwendeten die Leute noch viel mehr Kupfer zum täglichen Gebrauch als heutzutage. Kupfer war deshalb eine sehr gesuchte, nützliche Ware, und der Bauer, dem die Grube gehörte, wurde bald ein steinreicher Mann. Er baute sich einen großen prächtigen Hof, und die Grube nannte er nach dem Bock das Kårerbe. Wenn er nach Torsång in die Kirche fuhr, war sein Pferd mit Silber beschlagen, und bei der Hochzeit seiner Tochter ließ er aus zwanzig Tonnen Malz Bier brauen und zehn große Ochsen am Spieße braten.
Zu jener Zeit blieben die Leute meistens ruhig daheim, jeder in seinem eigenen Bezirk, und die Neuigkeiten verbreiteten sich nicht so hurtig wie jetzt. Aber das Gerücht von der Kupfergrube drang doch allmählich zu vielen Menschen, und wer nichts Wichtigeres zu tun hatte, machte sich auf den Weg hinauf nach Dalarna. Auf dem Kårerbe wurden alle bedürftigen Wanderer gut aufgenommen. Der Bauer nahm sie in seinen Dienst, gab ihnen einen guten Lohn und ließ sie Erz für ihn graben. Es gab genug, ja übergenug Erz, und je mehr Leute der Bauer beschäftigte, desto reicher wurde er.
Eines Abends, so geht die Sage, kamen vier starke Männer mit dem Bergmannspickel über der Schulter zum Kårerbe gewandert. Sie wurden freundlich aufgenommen wie alle andern, aber als der Bauer sie fragte, ob sie für ihn arbeiten wollten, verneinten sie es rundweg.
‚Wir wollen auf eigene Rechnung Erz graben,‘ sagten sie.
‚Ihr wißt doch wohl, daß der Erzberg mir gehört?‘ fragte der Bauer.
‚Wir wollen gar nichts aus deiner Grube holen,‘ entgegneten die Fremden. ‚Der Berg ist groß; und an dem, was frei und unbeschützt in der Wildnis liegt, haben wir ebensoviel Anrecht wie du.‘
Mehr wurde nicht über die Sache geredet, und der Bauer bezeigte den Fremden auch jetzt noch alle Gastfreundschaft. Früh am nächsten Morgen zogen die Fremden zur Arbeit aus; eine Strecke weiterhin fanden sie wirklich Kupfererz und fingen an, es auszubrechen. Nachdem sie so ein paar Tage gearbeitet hatten, kam der Bauer zu ihnen heraus.
‚Der Berg ist sehr reich an Erz,‘ sagte er.
‚Ja, da müssen noch viele Leute fleißig sein, bis dieser Schatz gehoben ist,‘ erwiderten die Fremden.
‚Das weiß ich wohl,‘ sagte der Bauer, ‚aber ich meine doch, ihr solltet mir von dem Erz, das ihr ausbrecht, eine Abgabe zahlen, denn mir habt ihr es zu verdanken, daß ihr überhaupt hier arbeiten
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