Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe
verpackt, und die ganze Straße lag voller Heringschuppen.
Ja, jetzt war Leben und Bewegung da! Die Menschen waren ganzaußer sich vor Freude über all dieses Silber, das sie aus den Wogen des Meeres herausschöpften, und die Wildgänse flogen viele Male über Marstrand hin und her, damit der Junge alles recht genau sehen könnte.
Aber schon nach kurzer Zeit bat er, sie möchten nur weiterfliegen. Er sagte nicht, warum er weiter wollte, aber es war vielleicht nicht so schwer zu erraten. Unter den Fischern sah er viele schöne, kräftige Leute. Mehrere von ihnen waren überaus stattliche Männer mit kühnen Gesichtern unter dem Südwester, und sie sahen gerade so keck und verwegen aus, wie jeder Junge gerne sein möchte, wenn er selbst einmal erwachsen ist. Ja, für einen, der niemals größer werden konnte als ein Hering, war es in der Tat vielleicht nicht so vergnüglich, diese prächtigen Gestalten zu betrachten!
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Ein großer Herrenhof
Der alte und der junge Herr
Vor einer Reihe von Jahren lebte in einem Kirchspiel in Westgötland eine überaus gute, liebe kleine Volksschullehrerin. Sie gab nicht allein einen sehr guten Unterricht, sondern verstand es auch, musterhafte Ordnung in ihrer Klasse zu halten, und die Kinder liebten sie so sehr, daß sie niemals in die Schule kamen, ohne ihre Aufgaben gelernt zu haben. Die Eltern der Kinder schätzten sie auch, und es gab überhaupt nur einen einzigen Menschen, der nicht wußte, wie gut sie war, und dieser eine war sie selbst. Sie hielt alle andern für viel klüger und tüchtiger als sich selbst und grämte sich in dem Gedanken, nicht auch so sein zu können wie die andern.
Nachdem die Lehrerin einige Jahre an der Schule unterrichtet hatte, erging von der Schulbehörde die Aufforderung an sie, in dem Slöjdseminar [1] auf Nääs einen Lehrgang mitzumachen, damit sie später die Kinder lehren könne, nicht allein mit dem Kopfe, sondern auch mit den Händen zu arbeiten. Niemand kann sich vorstellen, wie überrascht die Lehrerin war, als sie diese Aufforderung erhielt. Nääs lag nicht sehr weit von ihrer Schule entfernt, sie war wiederholt an dem schönen, stattlichen Gute vorübergegangen und hatte über den Slöjdkurs, der auf dem großen, alten Herrenhof stattfand, viel Lobenswertes gehört. Aus allen Teilen des Landes wurden da Lehrer und Lehrerinnen versammelt, damit sie sich eine gewisse Kunstfertigkeit der Hände aneigneten, selbst vom Ausland kamen die Leute zu diesem Zweck herbeigereist; aber wie schön diese Aussicht nun auch für die Lehrerin war, so wußte sie doch schon im voraus, wie schrecklich ängstlich es ihr unter so vielen ausgezeichneten Menschen zumute sein würde, ja es war ihr gerade, als könne sie es einfach nicht durchmachen.
[1] Eine Art Gewerbeschule, hauptsächlich für Holzverarbeitung.
Anmerkung des Übersetzers
Aber der Schulbehörde eine abschlägige Antwort zu geben, das wagte sie auch nicht; so reichte sie also ihr Gesuch ein und wurde als Schülerin angenommen. An einem schönen Juniabend, am Tage, bevor der Sommerunterricht beginnen sollte, packte sie ihre Kleider und was sie sonst brauchte in eine kleineReisetasche und wanderte nach Nääs; und wie oft sie auch unterwegs anhielt und wie sehr sie sich auch weit wegwünschte, sie kam schließlich eben doch an ihrem Ziele an.
Auf Nääs ging es lebhaft zu. Allen Teilnehmern an dem Lehrgang, die von den verschiedensten Seiten her eintrafen, mußten in den Häusern, die zu dem Gute gehörten, Zimmer angewiesen werden. Allen war es in der ungewohnten Umgebung etwas seltsam zumute; aber die kleine Lehrerin dachte wie immer, nur sie allein benehme sich ungeschickt und töricht; so hatte sie sich schließlich in eine solche Angst hineingearbeitet, daß sie weder sehen noch hören konnte. Und sie hatte auch wirklich Schweres durchzumachen: in einer schönen Villa wurde ihr ein Zimmer angewiesen, in dem sie mit noch einigen jungen Mädchen, die ihr gänzlich unbekannt waren, zusammen wohnen sollte! Und mit siebzig fremden Menschen zusammen mußte sie zu Abend essen! Auf ihrer einen Seite saß ein kleiner Herr, der im Gesicht ganz gelb war und ihr mitteilte, er sei aus Japan, und auf ihrer andern Seite befand sich ein Schullehrer aus Jockmock droben in Lappland! Und vom ersten Augenblick an ertönte lebhaftes Geplauder und Scherz und Lachen an den langen Tischen. Alle sprachen miteinander und machten gegenseitig Bekanntschaft. Sie war die einzige, die den Mund nicht aufzutun
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