Die Wunderheilerin
ist?»
«Ich bin gescheitert, Adam. Das weißt du. Heute denke ich anders als damals. Ich …» Sie brach ab und tippte sich nachdenklich mit dem Finger gegen das Kinn. «Du wirst eines der Zwillingsmädchen heiraten», bestimmte sie dann. «Am besten Regina. Sie ist eitel. Der Dünkel bedeutet ihr viel. Sie wird froh sein, einen Arzt zu bekommen. Vergiss nicht, wo sie herkommt. Außerdem ist sie Weib genug, um dich die leibliche Liebe zu lehren.»
«Eva! Du bestimmst über mein Leben, als wäre ich ein unwissendes Kind.»
Eva zog verwundert die Augenbrauen hoch. «Das muss ich auch, Adam. Du bist in Gefahr, bringst uns alle in Gefahr. Gerede können wir uns nicht leisten. Die Leipziger warten nur darauf. Und du musst dich schützen. Oder sollen alle deine Studien umsonst gewesen sein?»
Sie wackelte drohend mit dem Zeigefinger. «Eine Heirat ist deine einzige Möglichkeit. Du musst, Adam. Ob du willst oder nicht.»
Ihr Bruder steckte die Hände in die Taschen seiner Beinkleider und wandte sich zum Fenster. Er blickte hinaus,doch er sah nichts von dem, was auf der Straße vor sich ging. Lange stand er so, dann fragte er leise: «Wenn ich heirate, begleiche ich da nicht eine Schuld mit der nächsten?»
«Was für eine Schuld? Adam, du bist vom Teufel besessen. Lass dir den Dämon austreiben, gehe beichten, bereue, heirate, und alles ist gut.»
Adam wandte sich um. «Das Leben ist nicht so einfach, wie du es hinstellst», sagte er. «Und es lässt sich vor allem in keine Form zwingen.»
«Ist es so, dass du die Frauen verabscheust? Ist es das, Adam?»
Adam schüttelte den Kopf. «Ich habe mit Frauen wenig zu tun. Ich verabscheue sie nicht, nein. Im Grunde kenne ich keine Frauen außer dich und Susanne.»
«Und die Zwillinge.»
«Ja, die Zwillinge. Als Frauen habe ich sie nie gesehen. Kinder sind sie für mich. Noch immer.»
Eva lächelte. «Dann ist es also beschlossen: Du heiratest Regina.»
«Hast du mit ihr gesprochen? Ist sie einverstanden?»
«Pfff!», schnaubte Eva. «Du vergisst, dass sie ein Lehrmädchen ist. Aus der Vorstadt kommt sie. Sie kann Gott danken, dass sie deine Frau werden darf. Und nun komm, Johann ist auch schon eingetroffen, ich habe seine Stimme bereits gehört.»
Die Zwillinge und Johann waren schon da, als Eva und Adam in die Wohnstube kamen. Eva setzte sich an die Stirnseite des Tisches, auf den Stuhl des Hausherrn. Zu ihrer Rechten und Linken nahmen Adam und Johann Platz, danach folgten Priska und Regina.
Priska blickte sich in der Runde um. Adam sah schlecht aus. Das Haar hing ihm strähnig ins Gesicht, seine Haut war fahl, die Augen hatten dunkle Ringe. Auch sein sonst so voller Mund wirkte schmal und kantig.
Johann von Schleußig war zwar freundlich wie immer, doch auch er wirkte angespannt. Priska sah es an den Händen, die über den Tisch huschten, dort den Teller zurechtrückten, da am Wasserkrug zogen.
Bärbe trug mit missmutigem Gesicht die Platten auf. Sie tunkte ihren Daumen absichtlich in die Bratensoße. Priska sah es, und auch Eva fiel es auf. «Geh, Bärbe, und wasch dir die Hände! Auf der Stelle!», befahl sie. «Morgen werden wir üben, wie man bei Tisch manierlich bedient.»
Die Magd schlurfte murmelnd davon.
Eva nickte Priska zu. Priska verstand, nahm die Bratengabel und legte zuerst dem Priester, dann Adam die besten Stücke auf, bediente auch Eva und sogar die Schwester, ehe sie für sich das kleinste Stück nahm.
Johann von Schleußig sprach das Tischgebet, dann wandte sich jeder seinem Teller zu. Regina langte in das Salzfass und streute sich reichlich über das Fleisch. Evas missbilligender Blick schien sie dabei nicht zu stören, ganz im Gegenteil. Das konnte Eva nicht durchgehen lassen.
«Lass das Salz. Es ist zu teuer für ein Lehrmädchen», tadelte sie. Regina beachtete ihr Worte nicht weiter, sondern brach sich ein dickes Stück vom Roggenbrot ab und schob es in den Mund.
Erst als alle fertig waren, Bärbe den Tisch abgeräumt und den Weinkrug gebracht hatte, begann Eva zu sprechen.
«Wie lange seid ihr nun hier bei mir?», fragte sie die Zwillinge.
«Fünf Jahre. Im Sommer werden es sechs», erwiderte Regina und reckte den Busen so, dass Adam, der ihr gegenübersaß, schamhaft zur Seite schaute.
«Seid ihr froh, hier bei mir zu sein, oder sehnt ihr euch nach dem alten Leben in der Vorstadt zurück?»
«Aber nein», rief Regina und schüttelte den Kopf, dass ihr die Haare, die sie sich über das Lockenholz gebürstet hatte, um
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