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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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wenigstens manierlich aussehen, dachte ich, insbesondere in der Kirche an einem Feiertag. Doch da hatte Perkyn die schwere Haustür bereits aufgerissen. Ich überprüfte die Kinder im Hinausgehen. Die Augen leicht gerötet, der Blick züchtig zu Boden gesenkt. Gemessener Schritt. Kleider sauber, Hände vor dem Bauch gefaltet. Peregrine auf Mutter Sarahs Arm. Perkyn, der bedächtig die Haustür schloß und uns folgte. Alles in Ordnung. Gut. Heute würde vielleicht niemand dahinterkommen, daß ich zwei rothaarige Teufelinnen großzog.
    Der letzte rosige Schein der Morgendämmerung spiegelte sich in den Schlammpfützen der Gosse mitten auf der Thames Street. Matsch und nasse Steine machten das unebene Pflaster vor den Häusern tückisch. Die Luft war noch frisch und kalt und erfüllt von dem dröhnenden Klang der Glocken von Saint Botolphe, die die Gemeinde zur Messe riefen. Vermummte Gestalten hasteten in Richtung Kirche. Dem Himmel sei Dank, wir waren nicht die letzten. Auf halbem Weg drehte ich mich um und musterte erneut meine Hausgemeinschaft.
    »Cecily, klapp die Kapuze hoch. Alison, tritt nicht mit Absicht in die Pfützen. Herr im Himmel, wo ist der Kleine?«
    »Kommt nach, kommt nach, Mylady. Perkyn trägt ihn durch den Dreck. Für mich ist es zu glitschig. Er mußte langsamer gehen. Seht Ihr? Da kommt er.« Und da bog Perkyn auch schon um die Ecke des Saint Botolphe's Lane – mit meinem kleinsten Schatz, gut zwei Jahre alt, einziger Erbe des Hauses de Vilers. Mit vor Kälte rosigen Wangen, die braunen Locken unter einer roten Zipfelmütze versteckt, plapperte er wie eine Elster mit dem alten Perkyn, der ihn auf dem Arm trug.
    In der dämmrigen Kirchenvorhalle wimmelte es noch von Menschen, die sich ins Hauptschiff drängten. Der Geruch nach feuchter Wolle und städtischer Kloake vermischte sich mit starken Körperausdünstungen. Trotz des Klapperns der Trippen und der Begrüßungsrufe hörte ich eine Frau gehässig zischeln:
    »Seht, da kommt Lady Margaret de Vilers. Ich kenne sie, da war selbst Mistress Kendall noch zu gut für sie. Überhaupt nicht von Familie. Ist aus dem Nichts aufgetaucht.«
    »Und dann ein Skandal nach dem anderen.«
    »Seht sie euch an, wie sie mit ihrem Hausgesinde im pelzverbrämten Surkot einherstolziert. Was bildet die sich ein, wer sie ist?« Ich versuchte, schnell vorbeizukommen, aber ein großer Mann im Zunftgewand der Spezereienhändler versperrte mir den Weg. Hinter mir wurde meine Familie von der Menge zusammengedrängt.
    »Ich habe gehört, daß sie mit dem Schreiber ihres Mannes durchgebrannt ist, da war seine Leiche noch nicht einmal kalt.« Ich wollte sehen, wer da sprach. In der Menge konnte ich einen weißen Schleier ausmachen – und noch einen – eine ganze Schar.
    »Schändlich, sag' ich.«
    »Irgendein entlaufener Mönch namens Gregory – ein nichtsnutziger Faulenzer und Schnorrer, der in Schenken Briefe geschrieben hat.« Die weiße Haube drehte sich um, und ich erhaschte einen Blick auf ein gehässiges rotes Gesicht. Die Schuhmachersfrau. Und die hatte ich, soweit ich mich erinnern konnte, lange nicht mehr in der Kirche gesehen.
    »Gregory? Ich denke, sie hat Gilbert de Vilers geheiratet. Was ist denn aus dem Schnorrer geworden?«
    »Noch so eine Schändlichkeit. Der hat sich von ihrem Geld einen Rittertitel gekauft und seinen Klosternamen schneller abgelegt als die Schlange die Haut.«
    »Das machen die guten Beziehungen seiner Familie. Mistress Godfrey hat mir erzählt, daß er ein jüngerer Sohn ist, das schwarze Schaf der Familie, und aus dem Haus gejagt wurde. Aber als er ihr Geld hatte, hat man ihn natürlich mit offenen Armen wieder aufgenommen.«
    »Ha, und ich habe gehört, daß der Herzog von Lancaster einen Narren an ihm gefressen hat, obgleich ich bei meiner Seel nicht weiß, warum…«
    »Pssst! Sie sieht her. Ob sie etwas mitbekommen hat?«
    »Natürlich nicht, meine Guteste, dafür ist sie viel zu weit weg.«
    Das Dumme an kirchlichen Feiertagen ist meiner Meinung nach, daß auch die Eintagschristen und Langschläfer erscheinen – und die denken, sie werden Gott wohlgefälliger, wenn sie alle anderen schlechtmachen. Außerdem müssen sie die verlorene Zeit und den ganzen Klatsch und Tratsch aufholen, den sie verschlafen haben. Ich bedachte sie im Vorbeigehen mit einem bösen Blick.
    Wir suchten uns einen Platz unweit von Master Kendalls Votivaltar, wo die schrägen Strahlen der aufgehenden Sonne durch die Fensterrose fielen und vor uns Muster auf

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