Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
1.
D
ie Glocken riefen mit ohrenbetäubender Stärke zum Osterhochamt in den Dom. Aufdringlicher als sie war nur noch das Flirren des Geschmeides und das Wabern der Parfümwolken, die einem in die Nase stiegen, wenn man inmitten der Menschenmasse stand.
Ich hätte auf meinen Schwiegersohn hören sollen, der gesagt hatte, die Gläubigen würden uns erdrücken. Wir hatten das Haus gute zwei Stunden nach dem Mittag verlassen, und obwohl wir so eine Stunde zu früh für die Messe an diesem Ostersonntag waren, drängten sich die Menschen dicht an dicht. Gestern mit Jana auf dem Domplatz hatte ich geglaubt, die Florentiner hätten ihre edelsten Gewänder getragen; jetzt wurde ich davon überzeugt, dass es tatsächlich noch Steigerungen gab.
Brokat schimmerte auf fließender Seide, Perlen und Diademe schienen wie Bäche aus funkelndem Gestein aus den fantastischen Frisuren der Frauen zu strömen, und die Schwerter, die in goldverbrämten Scheiden von den stoffschweren Hüften der Männer hingen, hätten weniger einen Söldnertrupp in die Flucht schlagen als vielmehr seine Dienste für mindestens ein ganzes Jahr kaufen können. Es war ein bunter, ein schillernder, ein von Pretiosen und Schmuck blitzender Strom, der sich in das Innere der Kirche hineinwälzte, als die Türen endlich geöffnet wurden. Im Kirchenschiff roch es nach Weihrauch und viel mehr noch nach Duftflacons und den ölgetränkten Tüchlein, mit denen Männer und Frauen gleichermaßen herumwedelten. Nicht einmal die in großer Zahl erschienenen Bettler und Krüppel, die sich an den Wänden entlang aufreihten und ihre kaputten Gliedmaßen zur Schau stellten, konnten langfristig dagegen anstinken.
»Wenn das Jana sehen könnte…«, raunte ich meinem Schwiegersohn zu und fühlte erneut einen ärgerlichen Stich darüber, dass sie die Einladung des Patriziers Benozzo Cerchi auf sein Landhaus dem Besuch der Ostermesse vorgezogen hatte.
Mein Schwiegersohn Johann Kleinschmidt seufzte und machte ein unzufriedenes Gesicht. Seine Augen huschten hin und her, als seien sie schon jetzt auf der Suche nach seinen gefürchteten Geschäftskonkurrenten aus dem Hause Fugger. Er hatte uns durch ein Seitenportal an der Nordwand in die Kirche geführt. Schon hier hatten sich zwei Männer grob hinausgedrängt, als wir hineinwollten – als ob es ihnen im Inneren des Doms plötzlich zu eng geworden wäre. Ich legte den Kopf in den Nacken, um in die gewaltige Öffnung der Kuppel hinaufzustarren, die sich gleich nach dem Seitenportal ausdehnte.
»Lasst uns in der Nähe des Portals bleiben, da ist das Gedränge nicht so groß«, flüsterte Kleinschmidt. Ich ignorierte ihn und machte unserem Gefolge ein Zeichen, tiefer in die Kirche vorzudringen. Die drei Männer aus dem Gesinde, die Kleinschmidts Entourage darstellen sollten – mit noch nassem Haar und rot aufgescheuerten Gesichtern von der ungewohnt gründlichen Rasur –, bewegten sich ungelenk. Die unerwartete Ehre und Sauberkeit, die der überraschende Einsatz als Kleinschmidts »Ehrengarde« ihnen beschert hatte, ließ sie mit tapsiger Würde einhertreten. Sie hätten schlechter aussehen können. Sie drehten sich zu Kleinschmidt um, der sich von ihnen mit gottergebenem Gesicht in die Mitte nehmen ließ. Ich nickte ihnen lobend zu.
Trotz aller Entschlossenheit kamen wir nicht weit. Niemand dachte daran, zur Seite zu weichen. Der Platz, den ich uns erkämpfte, war dennoch nicht der schlechteste. Am Eingang zum Chor befand sich eine Holzbalustrade, vor der etliche Personen standen und sich unterhielten, und zwischen ihnen und der Menge der Gottesdienstbesucher bestand eine breite Gasse, die sich quer von Nord nach Süd durch den Boden unter der Kuppel zog. Wir kamen hinter den Rücken derer zum Stehen, die die Letzten vor dem freien Stück Raum waren. Ich schob Kleinschmidt wie ein Kind nach vorn und stellte mich hinter ihm auf, sodass ich mühelos über ihn und seine Vordermänner hinwegschauen konnte. Einige drehten sich um und starrten uns an; ich verbeugte mich und trat Kleinschmidt auf die Zehen, der murmelnd die Lüge vom Abgesandten des Handelshauses Hochstetter über mich verbreitete. Das Interesse der Angesprochenen war nicht sonderlich groß.
Einer der Dienstboten stieß mich sanft in die Seite und zeigte auf eine Gruppe von Männern, die vorn an der südlichen Öffnung der Holzbalustrade stand. »Ser Lorenzo!«, zischte er.
Lorenzo de’ Medici stand zwischen zwei Männern, die schlichte Priesterkleidung
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