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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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hinterließ einen feuchten Schimmer. Die schweren französischen Wandteppiche, die während der Festlichkeiten die Wände geschmückt hatten, waren weggepackt worden. Im Saal kehrte wieder häusliche Geschäftigkeit ein, denn Leicester Castle war seit dem Tag, an dem das große königliche Expeditionsheer nach Frankreich aufgebrochen war, eine Burg der Frauen und Kinder, der alten Männer und Priester.
    Ein halbes Jahr war vergangen, seit jedes verfügbare Pferd, jeder Mann mit heilen Gliedmaßen und jeder noch nicht ausgegebene rote Heller in den Dienst von König Edwards größtem Vorhaben gepreßt worden waren, dieser allerletzten, entscheidenden Kampagne gegen die völlig erschöpften Franzosen. Sie sollte damit enden, daß Edward in Reims zum König von Frankreich gekrönt wurde. Der gesalbte König Jean, töricht und luxusliebend, lebte seit der Schlacht von Poitiers als Gefangener in England; in einem von Katastrophen heimgesuchten und vom übrigen Königreich abgetrennten Paris regierte ein schwacher Dauphin, während im Land die Räuber herrschten. Die Zeit schien reif, daß Edward den Anspruch seiner Familie auf den Thron von Frankreich geltend machte. Nur der Herzog hatte sich dagegen ausgesprochen, mit einem einzigen Wurf alles aufs Spiel zu setzen. Es ist kein Glücksspiel, sagte der König, wir befehligen eine erdrückende Streitmacht. Der gesalbte König von Frankreich lebt noch, desgleichen sein rechtmäßiger Erbe, argumentierte der Herzog, und solange sie am Leben sind, sollte man den verständlichen Haß der Franzosen auf einen fremdländischen König nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ich bin kein fremdländischer König, sondern der rechtmäßige Erbe, sagte Edward. Nichtsdestoweniger werden wir in der Fremde kämpfen, unsere Versorgung wird nicht nachkommen, es wird Winter sein, und das Land werden wir verwüsten. Wir nehmen alles mit, entgegnete der König. Und so wurde zum erstenmal ein Feldzug mittels Landkarten geplant. Sechstausend Versorgungswaggons würde es geben. Man würde Nahrung und Zelte mitnehmen, Waffen- und Hufschmiede, handgetriebene Mühlen und Öfen zum Brotbacken. Man würde zusammenklappbare Boote benutzen, mit denen man zur Fastenzeit auf den Flüssen angeln konnte, dazu Hunderte von Schreibern und Handwerkern jeglicher Zunft, sechzig Jagdhunde und dreißig Falkner für die königliche Jagd, dazu die königlichen Musikanten. Der gesamte höhere und niedere Adel, alles, was reiten konnte, würde den König begleiten, desgleichen seine vier Söhne. Mit diesem großartigen Plan fegte er die Bedenken des Herzogs hinweg. Loyal, wie dieser war, plünderte er seine Ländereien und nahm Pferde, Ritter, Zelte, Schreiber, ja sogar seinen Chronisten mit, einen sprachenkundigen Ritter und Gelehrten, der den gewaltigen Sieg aufzeichnen sollte. Und nun warteten in ganz England die Frauen, und der Tanzsaal hallte dumpf und hohl ohne die Musik.
    Auf dem Boden des Saals unter der Galerie waren Herzogin Isabellas Näherinnen an der Arbeit. In dicken Wollkleidern scharten sie sich um das qualmende Feuerchen, das man mit grünem Holz im Kamin der Kemenate entzündet hatte. Auf dem Schoß hatten sie ellenweise schlichtes Leinen ausgebreitet und säumten endlose Stoffbahnen für einen Satz Bettlaken. Eine alte, fast blinde Frau erzählte, nein, singsangte die Geschichte vom falschen Marschall Sir Aldingar und spann dabei nach Gefühl. Am Ende eines Schragentisches in der Mitte des Raums unterhielt sich eine gutgekleidete Lady, eine Schere in der Hand, mit einer der nähenden Frauen, die eine geknotete Schnur hielt. Auf dem Tisch lag eine Bahn erlesenes Leinen, glatt und schimmernd wie Säuglingshaut, die zugeschnitten werden sollte.
    »Dame Isabella sagt, an dem neuen Hemd müssen drei Zoll zugegeben werden, da ihre Tochter so geschwind wächst«, sagte die Lady mit der Schere.

»War ganz entbrant in minne zu seyner kônigin,
    îr gunst wolt diser lump veraten,
    da sî nît muget seyn gesele sîn
    unde spotet seyner minne taten«,

    sang die Alte mit schwacher Stimme, während ein halbes Dutzend Nadeln kleine, exakte Stiche stichelte.
    »Das ist die Bahn, die Dame Petronilla von der Beschließerin geholt hat«, antwortete die andere. Da sie nicht in der Nähe des Kamins standen, bildete ihr Atem beim Sprechen kleine Wölkchen.
    »Aber aus diesem Stück können wir die ganze Länge nicht schräg herausschneiden, wie es die Herzogin haben möchte. Seid Ihr sicher, daß dies die Bahn ist, die

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