Die Zeitfalte
daran zu zweifeln.«
Herr Jenkins seufzte erneut. »Natürlich klammert sich deine Mutter an die Hoffnung, daß ihr Gatte zurückkommt, Meg. Kannst du das denn nicht verstehen? Ach, ich sehe schon, daß wir beide miteinander nicht weiterkommen. Geh wieder in deine Klasse zurück. Und versuche, ein wenig verträglicher zu sein. Davon würden wahrscheinlich sogar deine Leistungen profitieren.«
Als Meg nach der Schule heimkam, war Mutter im Labor, und die Zwillinge hatten Gruppenstunde bei den Pfadfindern; aber Charles Wallace, das Kätzchen und Fortinbras warteten schon auf sie. Fort sprang an ihr hoch, legte ihr die Pfoten auf die Schulter und gab ihr ein Küßchen. Die Katze strich um die leere Milchtasse und miaute bettelnd.
»Komm!« sagte Charles Wallace. »Wir gehen.«
»Wohin?« wollte Meg wissen. »Ich bin hungrig. Erst muß ich etwas im Magen haben.« Die Aussprache mit dem Direktor machte ihr noch immer zu schaffen, und ihre Stimme klang unwillig.
Charles Wallace folgte ihr aufmerksam mit den Blicken, als sie zum Kühlschrank ging, dem Kätzchen Milch gab und sich selbst einen Becher vollschenkte.
Charles drückte ihr eine Papiertüte in die Hand. »Ich habe uns belegte Brote eingepackt, dazu etwas Kuchen und einen Apfel für jeden. Es wird Zeit, daß wir Frau Wasdenn besuchen.«
»Du lieber Himmel!« rief Meg erschrocken. »Wie kommst du nur darauf, Charles?«
»Du weißt noch immer nicht, was du von ihr halten sollst, stimmt‘s?«
»Hm. Stimmt.«
»Du kannst ihr vertrauen. Bestimmt. Mein Wort darauf. Sie ist ganz auf unserer Seite.«
»Woher willst du das wissen?«
»Meg!« wies er sie ungeduldig zurecht. »Ich weiß es eben!«
»Und warum müssen wir ausgerechnet jetzt zu ihr?«
»Weil ich sie über diese Tesserung aushorchen will. Dir ist doch auch aufgefallen, wie sie Mutter damit aus der Fassung gebracht hat. Und du weißt, wie gut sich Mutter sonst unter Kontrolle halten kann. Wenn sie einmal die Beherrschung verliert, muß also schon etwas Besonderes dahinterstecken.«
Meg zögerte einen Augenblick. »Meinetwegen«, sagte sie dann. »Gehen wir. Aber Fortinbras nehmen wir mit.«
»Klar. Er braucht sowieso Bewegung.«
Sie brachen auf. Fortinbras lief immer ein Stück vor, kam wieder zurückgerast und preschte erneut los.
Das Haus der Familie Murry lag gut fünf Kilometer außerhalb des Städtchens. Hinter dem Haus begann bereits der Wald, und durch den Wald führte jetzt ihr Weg.
»Sag, Charles«, überlegte Meg laut, »ist dieser Frau Wasdenn eigentlich klar, was sie sich alles eingebrockt hat? Über kurz oder lang wird sich ja unweigerlich herumsprechen, daß sie sich heimlich in dem alten Hexenhaus eingenistet hat. Und daß sie es war, die Frau Buncombe die Bettücher gestohlen hat. Wer weiß, was sie sonst noch auf dem Gewissen hat? Vielleicht steckt man sie sogar ins Gefängnis.«
»Richtig, man muß sie warnen. Ein Grund mehr, ihnen einen Besuch abzustatten.«
»Ihnen?«
»Ich habe dir doch gesagt, daß sie zu dritt sind; sie und ihre beiden Freundinnen. Außerdem: Wer sagt denn, daß wirklich sie die Bettücher geluchst hat? Nun ja, zuzutrauen wäre es ihr allerdings.«
»Wozu brauchen sie zu dritt so viel Bettzeug?«
»Auch das möchte ich sie fragen«, sagte Charles Wallace. »Und ihnen raten, etwas vorsichtiger zu sein. Ich glaube zwar nicht, daß man sie im Haus vermutet, aber möglich wäre es immerhin. Gut, daß jetzt keine Ferien sind; da wäre die Gefahr größer, denn dann streifen immer ein paar Jungen durch den Wald und sind auf Abenteuer aus. Wir können nur hoffen, daß diese Neugiersnasen jetzt andere Sorgen haben.«
Eine Zeitlang gingen sie schweigend weiter. Der Wald duftete. Sie schritten über einen Teppich aus Fichtennadeln. Über ihren Köpfen sang der Wind in den Zweigen. Wie um Meg zu beruhigen, nahm Charles Wallace ihre Hand in die seine. Die Geste rührte sie; ihre Verkrampfung begann sich zu lösen. »Wenn mich auch sonst keiner leiden kann«, dachte sie, »Charles mag mich.«
»War es heute sehr schlimm in der Schule?« fragte er sie nach einer Weile.
»Ziemlich. Herr Jenkins ließ mich rufen. Er machte unpassende Bemerkungen über Vater.«
Charles Wallace nickte bekräftigend. »Ich weiß.«
»Wieso weißt du das?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich kann es dir nicht erklären. Du verrätst es mir eben.«
»Aber ich sage doch nie ein Wort. Trotzdem kriegst du irgendwie immer alles heraus.«
»Weil mir eben alles an dir etwas über dich
Weitere Kostenlose Bücher