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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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zog.
    Unter uns gähnte Schwärze. Neben uns glitzerte die Flanke des Eisberges. Blitze schossen lautlos am Fuße des Turms auf die Straße – die Teslaspulen, die Amok liefen.
    Dann ging endlich ein Ruck durch meinen Körper, als das Gewicht zweier Menschen und einer Puppe an dem Seil nach unten zerrten. Es wollte mich schier zerreißen, meine Finger wollten aufgeben, ichwollte aufgeben – aber die schwarze Tiefe ließ mich nicht, sie ließ mein Herz hämmern vor Angst und meine Kehle so eng werden, als würde ich ersticken. Der Professor kreischte und griff mit beiden Händen nach der Puppe, kroch daran hoch, um meinen lahmen Arm zu erreichen, um sich an mir in Sicherheit zu bringen.
    Ynges Mund bewegte sich, als seine gierigen Hände an ihrer zarten Kleinkindbrust angelangt waren.
    „Du musst mich loslassen“, flüsterte sie durch die Kälte, und ihr eines verbliebenes Auge beschwor mich, es zu tun. Ich schüttelte stöhnend den Kopf. Wie zur Antwort knirschte es, und mit einem Geräusch wie dem einer freiwerdenden Seele auf dem Weg ins Himmelreich zersprang die Puppe in der Mitte. Professor Roþblatt schwieg ergeben, als die Nacht ihn nahm. Er fiel, Ynges zerbrochenen Leib umklammernd, und ich schrie ihm all meinen Verlust hinterher, als sein Gewicht von mir abfiel. Zwischen uns – zwischen dem Teil von Ynge, den ich immer noch umklammert hielt, und dem Stück des Porzellanleibs, das er mit sich in die Tiefe riss, taumelten weiße, wie Schnee leuchtende Blätter. Wie verspielte Schmetterlinge folgten sie Roþblatt, als er mit dem dumpfen Hall seiner unwürdigen fleischlichen Hülle auf der Flanke des Eisberges aufschlug und als dunkler Fleck dort liegen blieb, verrenkt, zerschlagen, vergangen.
    „Naðan!“, schrie eine Stimme – es war Onnen aus der Frijheid , die über mir schwebte. „Halt dich bloß fest!“
    Schluchzend blickte ich den flatternden Träumen hinterher. Der perfekten, vollkommenen Galvanischen Gasbatterie der Dr. Æmelie von Erlenhofen. Mein Sichtfeld verengte sich. Ich würde jetzt stürzen. Onnens Stimme rief irgendetwas, ermahnte mich – beschwor mich. Ich war geistesgegenwärtig genug, um mich auf dem schmalen, überfrorenen Sims des vergitterten Fensters niederzukauern, das Seil ohnmächtig umklammert, den Blick hinabgerichtet in die Tiefe. Schwärze umfing mich.

Dr. Æmelie von Erlenhofen auf dem 7. Kongress der Außerordentlichen Naturwissenschaften in Venedig

    Öl auf Leinwand
    I ch war aufgewacht, als eine die Schienen hinabkletternde Gestalt mit langem dunkelblondem Zopf ein Seil um meine Hüfte schlang. In einem schrecklichen, schwerelosen Moment hatte ich mich in der Luft befunden, zwischen den Luftschiffen, die sich bekämpften und über den Arbeitern, die den Aufstand probten, und wenig später hatte ich meine Augen im Laderaum der Frijheid wieder geöffnet. Wie immer hatte ich mich übergeben, zum Glück war jedoch nicht viel mehr als Galle in meinem Körper. Ich hatte in Krämpfen gelegen, in Schmerzen, in Blut und Magensaft, und Onnens kundige Hände hatten unzählige Verletzungen an mir festgestellt.
    Ich hatte geschlafen. Ich war wachgeworden, weil mir eine Schulter eingerenkt worden war. Ich hatte geschlafen. Ich war wachgeworden und hatte nach Ynge geschrien, nach den Plänen, die ins Leere hinabgetorkelt waren und nun dort lagen, um von jedem gefunden zu werden, der klug genug war, sie aufzusammeln. Ich hatte geschlafen. Währenddessen war der Schmerz an mich herangeschlichen, jene Pein, die vom Verlust meiner Frau sprach, vom Verlust ihrer Stimme. Vom Verlust ihrer Puppe. Jener Schmerz war geradezu körperlich und war all der Schmerz, der mich bislang noch nicht ereilt hatte. Ich erwachte und krümmte mich zusammen.
    Ich war nicht mehr an Bord der Frijheid . Ich war in einem Zimmer. Ich schluchzte und vertraute all mein Leid den geblümten Wänden an, den Wänden eines kleinen, geschmackvoll eingerichteten Gästezimmers.
    Doch viel zu früh öffnete sich die Tür, und eine Stimme sagte leise: „Liebes, ich denke, er ist wach.“
    Gräfin Elsbeð trat hinein, gefolgt von Tomke, die nun sauber war und gekleidet wie ein reiches Mädchen. Ich betrachtete die beiden mit ihren kühlen, markanten Nasen. Ich rang nach Luft, und mit einem inneren Knall kehrte meine Fassung zurück.
    „Sind Sie ihre Mutter?“
    „Ist das alles, was Ihnen auf dem Herzen liegt, Herr von Erlenhofen?“
    Ich setzte mich auf. Gewandet war ich in eine weiße Unterhose, die mir bis zu den

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