Diverses - Geschichten
Hülsen blieben, dass er nichts in sie hineinlegen konnte, bald auch nicht mehr wollte.
Er suchte das, was die Sonnenwandler Gefühle nannten und begann zu glauben, dass ihre Fähigkeiten, die Geheimnisse, die er sich als unfähig erwies zu entschlüsseln, in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Sonnenlicht standen.
Und im Laufe der Jahrzehnte, der Jahrhunderte verfestigte sich diese Überzeugung, wuchs sich aus zu einer regelrechten Besessenheit.
Er beobachtete interessiert Entstehung und Verfall immer wieder anderer und doch gleich auftretender Religionen, Philosophien und der vergeblichen Versuche, Sinn und Unsinn der Welt, des Universums zu erklären.
In keiner von ihnen fand sich ein Platz für ihn, in keiner entdeckte er einen Grund, der ausreichte, sein Dasein verlängern zu wollen.
Nun wurde ihm seine Unverwundbarkeit zum Fluch.
Der Vampir suchte nach Seinesgleichen, er jagte nach einem Wesen, das ihn ergänzte, das ihm die Kraft lieferte, gegen die Sinnlosigkeit zu kämpfen, die ihn umgab, die von allen Seiten auf ihn zu kroch, ihn umfing und in sich einschloss.
Allmählich musste er erkennen, dass ihm die Fähigkeit zur Liebe fehlte, zu jenem Maß an gleichzeitiger Selbstaufgabe und Lust am Miteinander, welches die Menschen zu trösten schien, wenn die Jahre, die aus seiner Sicht nur so im Flug vergingen, sich ausdehnten, mit Elend und jenen entsetzlichen Schmerzen füllten, von denen er keine mehr Vorstellung besaß. Und es begann eine Zeit, in der er die Menschen um den Schmerz beneidete, dessen schwacher Nachklang aus seiner Erinnerung verschwunden war. Denn er begann zu glauben, dass Schmerz und Liebe sich ergänzten, und dass er, dem beides fehlte, einen Verlust erlitt, der über die Jahrtausende nur schwerer zu ertragen war.
Dennoch suchte er weiter nach ihr, nach dem Schlüssel, der ihm ein neues Reich eröffnen sollte, das Reich, von dem Mythen und Legenden sprachen, während er durch die Dunkelheit schlich, ausgestoßen und einsam.
Aus seinem Zeitalter gefallen und unfähig, in dem neuen zu erkennen, was andere Wesen in ihm sahen.
Mag sein, dass er bereits zu lange existierte, dass jede Verbindung mit dem Rest der Welt, wenn denn je eine existiert hatte, unterbrochen war.
Die Besessenheit wurde zu der Suche nach seiner Liebe als letzten Ausweg. Geprägt von den Geschichten, denen er von Anbeginn der Zeit an, beim Vorübergehen an Lagerfeuern, Festen der Mächtigen und der Ohnmächtigen gelauscht hatte, glaubte er sich verloren ohne einen Konterpart zu seiner eigenen Person. Eine fixe Idee, die der immer wiederkehrenden Romantik, marterte ihn und dennoch erlaubte er sich nicht, die Flamme erlöschen zu lassen, als handele es sich bei ihr um die letzte Faser, die ihn an sein Universum band.
Manches Mal stand er kurz davor zu erkennen, dass die Poesie, der er sich einst verschrieben hatte, dass jegliche Kunst die Wurzel des Übels bedeutete. Dass er seiner Obsession nur nicht entfliehen konnte, weil er an sie glauben wollte.
Daran glauben, dass es mehr gab, als den Durst und diesen zu löschen. Mehr als die Selbsterhaltung, als das instinktive Bedürfnis, die eigene Existenz soweit auszudehnen, wie es nur möglich sein sollte.
Er durchstreifte die Kontinente, vergeblich. Selbst wenn einst Kreaturen existiert hatten, die ihm glichen, so war es keiner von ihnen gelungen, den Wandel der Zeiten zu überstehen.
Die Erkenntnis traf ihn nicht plötzlich. Sie wuchs langsam in ihm, verfestigte sich, je öfter er einer Gestalt hinterher jagte, die mit ihrer Blässe, der hochgewachsenen Figur und der Angewohnheit unauffällig wie ein Schatten durch ihr Leben zu gehen, Hoffnungen in ihm entfachte, die zwangsläufig wieder enttäuscht werden mussten.
Es waren traurige, einsame Seelen, denen er folgte, denen er auflauerte, und von denen er sich ernährte, als sie seine Erwartungen nicht erfüllen konnten. Schwache Sonnenwandler, die sich ihrer eigenen Bestimmung widersetzten und die Nacht suchten, obwohl ihnen so viel mehr offenstand.
Erkannte er ihr Innerstes, so brandete Ärger in ihm auf, erhitzte für einen kurzen Augenblick die Kälte, die ihn umschloss.
Er flüchtete sich in Raubzüge, in Bluttaten und Massenmorde, die Wellen schlugen, vor deren Auswirkungen er sich noch lange in Acht nehmen musste.
Doch nichts mehr konnte ihm die Begeisterung seiner Jugend zurückgeben, die Hoffnung entfachen, die er vergeblich gehegt hatte. Und als ihm klar war, wie verloren, wie allein und wie erbärmlich
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