Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen
verzückte Blick von mir bedeutet, dass ich an unsere erste Nacht denke, dann bist du es, der sich täuscht.«
Klaus beugte sich vor, setzte erneut sein schelmisches Lächeln auf: »Das ist wohl wahr. Genauso gut könntest du an unseren zweiten Abend denken oder an den Vormittag danach oder an die Mittagspause, in der wir uns in der Uni-Toilette …«
Sie fuhr auf: »Sei still, Klaus!« Peinlich berührt blickte sie sich im Saal um. »Willst du hier unser ganzes Liebesleben ausbreiten?«
»Warum eigentlich nicht? Dann merkst du vielleicht, was dir heute fehlt.«
Sina drehte den Kopf weg. »Wer sagt denn, dass mir was fehlt? Du bist nicht der einzige Mann auf der Welt, Klaus.« Ihr Blick blieb auf einem Pärchen am Nachbartisch haften: Beide hatten sich weit vorgelehnt, stießen beim Reden beinahe mit ihren Nasenspitzen zusammen. Sie himmelten sich an. Ganz so, wie es Sina und Klaus damals getan hatten. Sina schossen diese Gedanken wieder durch den Kopf: Ihre Erinnerungen waren so klar, als wäre das alles erst gestern passiert. Und da war auch wieder dieser Zwiespalt zwischen der Leidenschaft, die sie für Klaus entwickelt hatte, und ihrem Argwohn, weil er sich immer wieder auch anderen Frauen zugewandt hatte. Mal mehr und mal weniger – so genau wollte sie es gar nicht wissen. Sina selbst war es ursprünglich zwar gewesen, die sich gegen eine allzu enge Beziehung gesträubt hatte, aber dass Klaus das als Freifahrtschein für seine Eskapaden nutzte, verletzte sie tief. Deswegen gingen sie momentan wieder getrennte Wege. Er war somit nur noch ihr Ex. Eine Regelung, unter der Sina mehr litt als Klaus.
Sinas angeschlagenes Ego suchte prompt nach Ablenkung – und ebenso prompt musste sie an Gabi denken. Mit ihr konnte sie wenigstens ihre wahren Gefühle teilen. Ihre Sorgen und Probleme, aber auch Freude und Glück, selbst wenn sie von letzterem in den vergangenen Tagen herzlich wenig gespürt hatte. Gabi – immer wieder Gabi! Sina fragte sich, was ihre Freundin nach dem Krach von vorhin wohl gerade machte. War sie längst wieder in ihre Arbeit vertieft?
Sie war es. Gabriele hockte auf dem Boden ihres Büros, umgeben von Antiquitäten aus dem Regal. Sie waren zu kleinen Häufchen aufgestapelt und umschlossen die Frau wie eine Burgmauer. Die meisten Stücke trugen selbstklebende Etiketten mit Zahlen, andere waren mit dem handschriftlichen Vermerk ›W‹ für ›wertlos‹ versehen. Gabi hatte sich fast durch den gesamten Regalinhalt gearbeitet. Nur einige unscheinbare Gegenstände waren noch nicht zugeordnet.
»Habt ihr euch schon entschieden?« Die Stimme der Kellnerin riss Sina erneut aus ihren Gedanken.
Klaus antwortete für sie: »Wir nehmen zwei Zirndorfer Kellerbier und zweimal die Spezialplatte.«
Die Bedienung war bereits wieder verschwunden, ehe Sina einwilligen oder ablehnen konnte. »Klaus, der Spezialteller ist riesig. Den schaffe ich nie.«
Ihr Ex streichelte ihr sanft über den Arm. »Das weiß ich. Aber ich muss doch irgendwie mein schlechtes Gewissen beruhigen können.«
Sina konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen: »Alter Schleimer! Willst dich ja bloß wieder Liebkind bei mir machen.«
Gabriele heftete einen weiteren ›Wertlos‹-Aufkleber an ein Bild und legte es enttäuscht beiseite. Nun war sie fast durch – ohne den ersehnten Sensationsfund gemacht zu haben. Lustlos schnappte sie sich eine angerostete Blechbüchse, die mit unleserlichen Gravuren versehen war. Unbeholfen machte sie sich daran, den Deckel zu öffnen. Aber er gab nicht nach, und ihre Fingernägel waren zu kurz, um in den Spalt gegenüber den Scharnieren vorzudringen. Sie wünschte sich Sina herbei: Mit ihren spitzen Krallen müsste sie die Dose spielend leicht aufhebeln können.
Der Spezialteller war wirklich nur etwas für Leute mit Riesenappetit. Sina war schon vom Anblick satt: der Brei aus dicken Bohnen, die doppelte Käseschicht auf den Tortillas, die üppige Salatbeilage. »Du musst mir helfen, Klaus!«
Klaus setzte eine beleidigte Miene auf. »Fang doch einfach erst mal an.«
Gabriele hatte sich inzwischen einen Schraubenzieher geholt und versuchte, sein flaches Ende zwischen Dose und Deckel zu stoßen. Beharrlich drehte sie das Werkzeug hin und her. Wieder und wieder rutschte es ab und fuhr quietschend über das Metall. Mit einem blechernen Scheppern gab der Deckel schließlich nach. Die Büchse glitt ihr aus den Fingern, polterte über den Fußboden, überschlug sich und
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