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Doktor Pascal - 20

Doktor Pascal - 20

Titel: Doktor Pascal - 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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wird er sich verteidigen. »Ich bringe die Erklärung und Verteidigung meiner ganzen neunzehn vorhergehenden Romane mit hinein, und das macht mir Spaß«, heißt es in einem Brief an Van Santen Kolff vom 22. Februar 1893. Und am Anfang seines Entwurfs für den Roman steht ebenfalls ein Plädoyer seiner Absicht: » … ich glaube, trotz des schwarzen Pessimismus, den man in dieser Reihe findet, eine große Liebe zum Leben hineingelegt zu haben … Und daraus möchte ich vielleicht diesen Schluß ziehen: Ich habe mich an diesen Bildern nicht ergötzt, ich habe sie nicht aus Perversion ausgebreitet, sondern um tapfer zu zeigen, was ist, und um am Ende sagen zu können, daß das Leben trotz allem groß ist und gut …«
    Pascals Situation angesichts der Wahrheit der von ihm gesammelten unerbittlichen Dokumente über seine Familie wird zum Paradigma für Zolas Situation angesichts der in seinen Romanen angehäuften Dokumente, und Pascals Selbstverteidigung wird die Selbstverteidigung Zolas. Deshalb kommt Zola im Entwurf immer wieder der Ausdruck »tout dire« – alles sagen – unter die Feder: »Der Doktor kennt das Leben, er hat es durchforscht; er hat seine ganze Abscheulichkeit ausgesprochen … Und wenn er alles gesagt hat, das Schwarze und Abscheuliche, so als Wissenschaftler, der den menschlichen Kadaver ausbreitet … denn um heilen zu können, muß man erst die Wunde genau kennen.«
    Und in dem Gespräch zwischen Pascal und Clotilde ist ebenfalls von der schrecklichen Klarheit der Wissenschaft die Rede, von den kruden Reden, von dem brutalen Schock, den die plötzliche und schreckliche Wahrheit über die Ihren bei Clotilde auslöst, aber auch davon, daß diese »Lektion in ihrer Heftigkeit gleichsam unschuldig, gemacht wurde durch irgend etwas Großes und Gutes, den Hauch tiefer Menschlichkeit, von dem sie durch und durch getragen war. Er hatte alles gesagt … Alles sagen, um alles zu erkennen und alles zu heilen … Trotz allem war es ein Schrei der Gesundheit, der Hoffnung, der Zukunft. Er sprach als Heilbringer, der eine glückliche Welt wiederherstellen wollte … Und gab es denn nur Schmutz? …. Wieviel Gold gab es nicht auch …«
    Die doppelte Thematik, die vierfache Reihenfunktion führen notwendigerweise zu einer thesenhaften Überladung der Charaktere und auch der Handlung. Andererseits möchte Zola seinem Zyklus einen »einfachen und großen Schluß geben«. Und so schränkt er die Zahl der eigentlich handelnden Personen auf ein Minimum ein. Drei Hauptpersonen: Pascal, Clotilde, Félicité, und die Dienerin Martine, wie in einer Tragödie Racines. Die übrigen Familienmitglieder, die in diesem Roman ja wieder auftreten sollen, werden außer Tante Dide, Macquart, Maxime und seinem Sohn Charles nur gesprächsweise erwähnt. Aber auch die Vorgeführten geben mehr den Stoff für Füllszenen oder dienen als Hilfsfiguren für die Zentralhandlung. Diese spielt zweifelsohne zwischen Pascal und Clotilde, die etwas prekäre Liebesgeschichte eines alten Mannes und eines jungen Mädchens, der klassische Komödien Stoff, der hier so gänzlich umfunktioniert und ins Positive und zugleich ins Tragische gewendet ist. Wirklich herausgearbeitet in der Handlung ist dabei eigentlich nur der Charakter Pascals, Zolas Doppelgänger. Clotilde ist auf weite Strecken, vor allem in den Diskussionen um Glaube und Wissenschaft, nur seine Antithese, der Spiegel, in dem sich Pascals Bild bricht, auch dann nochmals es im Leben bereits zerbrochen ist.
    Neben dieser zentralen Handlung, der Liebesgeschichte, läuft ein zweiter, wenn auch damit verbundener Handlungsstrang, die ZuEndeFührung der Familiengeschichte mit Félicités Kampf um die verklärende Legendenbildung, die Tilgung aller dunklen Flecke auf dem Schild der Familie und schließlich, wenn auch ebenfalls durch die gleichen Personen getragen und folglich mit der Zentralhandlung verknüpft, ein drittes, die Zeitgeschichte, der Kampf eines Wissenschaftlers gegen Unverstand und Ignoranz seiner Umgebung. Wie relativ jedoch der Ausdruck »Handlung« hier ist, wird sofort klar, wenn man die eigentliche Komposition betrachtet.
    Zola hat stets seine Romane in große Kapitel untergliedert, die sich für den Betrachter (und Leser) wie mehr oder weniger selbständige Blöcke zu einem Ganzen zusammenfügen. Aber in diesem Roman sprangen einzelne geradezu aus dem Bau des Ganzen heraus, so zum Beispiel das fünfte Kapitel, das mit der Rekapitulation der Familiengeschichte zugleich die

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