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Dolores

Dolores

Titel: Dolores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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jetzt keine Rolle mehr. Das einzige, was jetzt noch eine Rolle spielt, ist, daß ich aus der Bratpfanne gesprungen und im Feuer gelandet bin, und daß ich mich, wenn’s irgend geht, so schnell wie möglich davonmachen sollte, bevor ich mir den Hintern noch schlimmer verbrenne. Wenn das noch geht.
    Es hat damit angefangen, daß ich Veras Haushälterin wurde, und damit geendet, daß ich so etwas war, was man eine »bezahlte Gesellschafterin« nennt. Ich habe nicht sonderlich lange gebraucht, um den Unterschied rauszufinden. Als Haushälterin mußte ich acht Stunden am Tag, fünf Tage in der Woche, Scheiße fressen. Als bezahlte Gesellschafterin mußte ich es ständig und rund um die Uhr.
    Sie hatte ihren ersten Schlaganfall im Sommer 1968, während sie sich im Fernsehen den Nationalkonvent der Demokraten in Chicago ansah. Es war nur ein ganz leichter Anfall, und sie machte Hubert Humphrey dafür verantwortlich. »Offenbar habe ich mir dieses Arschloch einmal zu oft angesehen«, sagte sie, »und dabei ist mir so ein verdammtes Blutgefäß geplatzt. Ich hätte wissen müssen, daß so etwas passieren kann, und es hätte ebensogut Nixon sein können.«
    1975 hatte sie einen schwereren, und diesmal gab es keinen Politiker, den sie dafür verantwortlich machen konnte. Dr. Freneau sagte ihr, sie sollte mit dem Rauchen und Trinken aufhören, aber er halte sich den guten Rat sparen können - so ein hochnäsiges Weibsbild wie Vera Donovan dachte gar nicht daran, auf einen einfachen alten Landarzt wie Chip Freneau zu hören. »Ich werde ihn begraben«, pflegte sie zu sagen, »und dann sitze ich auf seinem Grabstein und trinke einen Scotch mit Soda.« Eine Zeitlang sah es so aus, als würde sie genau das tun  - er machte ihr weiterhin Vorhaltungen, und sie rauschte weiter dahin wie die Queen Mary. Aber dann, 1981, hatte sie ihren ersten wirklich schweren Schlaganfall, und ein Jahr danach kam der Ungar bei einem Verkehrsunfall drüben auf dem Festland ums Leben. Und da bin ich ganz zu ihr gezogen - im Oktober 1982.
    Ob ich das mußte? Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich nicht. Ich hatte meine Sozialversicherung. Viel war es nicht, aber die Kinder waren inzwischen lange fort - Little Pete direkt vom Angesicht der Erde, der arme kleine Kerl , und ich hatte es auch geschafft, ein paar Dollar auf die hohe Kante zu legen. Das Leben auf der Insel ist immer billig gewesen, und wenn es auch nicht mehr so ist, wie es einmal war, so ist es doch immer noch erheblich billiger als auf dem Festland. Also hätte ich wahrscheinlich nicht zu Vera ziehen müssen. Nein, das hätte ich nicht. Aber wir hatten uns aneinander gewöhnt. Es ist schwierig, das einem Mann klarzumachen. Ich denke, Nancy hier mit ihrem Block und ihrem Stift und ihrem Bandgerät versteht es, aber sie muß vermutlich den Mund halten. Wir hatten uns aneinander gewöhnt, ungefähr so auf die Art, wie sich zwei alte Fledermäuse daran gewöhnen können, nebeneinander kopfunter in der gleichen Höhle zu hängen, auch wenn sie alles andere sind als das, was man Busenfreundinnen nennt. Und es machte eigentlich keinen großen Unterschied. Daß ich meine Sonntagssachen zu meinen Hauskleidern in den Schrank hängte, war so ziemlich das einzige, das anders war; ab Herbst 1982 war ich täglich von morgens bis abends bei ihr und außerdem in den meisten Nächten. Die Bezahlung war ein bißchen besser, aber nicht so gut, daß ich meinen ersten Cadillac hätte anzahlen können, wenn ihr wißt, was ich meine.
    Ich glaube, ich habe es vor allem deshalb getan, weil sonst niemand da war. Sie hatte einen Finanzberater in New York, einen Mann namens Greenbush, aber Greenbush würde nicht nach Little Tall kommen, damit sie aus ihrem Schlafzimmerfenster zu ihm herunterkeifen konnte, daß er die Laken mit sechs Wäscheklammern aufhängen sollte, nicht mit vier; er würde auch nicht ins Gästezimmer einziehen und ihre Windeln wechseln und die Kacke von ihrem schrumpligen Arsch wischen, während sie ihn beschuldigte, Geld aus ihrem verdammten Porzellanschwein gestohlen zu haben, und ihm klarmachte, daß sie ihn dafür in den Knast bringen würde. Greenbush stellte die Schecks aus; ich putzte ihre Kacke weg und hörte mir an, wie sie wütete und phantasierte über die Laken und die Staubflocken und ihr gottverdammtes Porzellanschwein.
    Na und? Ich erwarte dafür keine Medaille, nicht einmal ein Purple Heart. Ich habe in meinem Leben eine Menge Scheiße weggeputzt und mir noch mehr davon angehört

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