Dolph Heyliger (German Edition)
verbreitet hatten, so widerlegt wurden; aber es machte ihn besorgt, daß er seinen Schüler, den er für immer los zu sein wähnte, wieder als eine schwere Last über den Hals bekommen sollte. Während er noch zwischen diesen beiden Gefühlen hin und her schwankte, wurde im Rathe der Frau Ilsy beschlossen, die lange Abwesenheit des jungen Herrn sich zu nutze zu machen und ihm die Thüre für immer zu verschließen.
Zur Zeit des Schlafengehens, wo man vermuthen konnte, daß der faule Schüler sein altes Quartier wieder suchen würde, wurde deßhalb Alles zu seiner Aufnahme vorbereitet. Dolph, der seine Mutter in einen ruhigen Zustand hinein geredet hatte, suchte das Haus seines quondam Meisters und hob den Klopfer mit strauchelnder Hand. Kaum aber hatte er einen zweifelhaften Schlag gegeben, als des Doktors Kopf in einer rothen Nachtmütze aus einem Fenster hervorhuschte und der der Haushälterin in einer weißen Nachtmütze aus einem anderen. Er wurde nun mit einer furchtbaren Salve harter Namen und harter Worte begrüßt, gemischt mit nichtswürdigen guten Lehren, wie man sie selten zu ertheilen wagt, ausgenommen einem Freunde oder einem Verbrecher vor Gericht. In wenigen Augenblicken war nicht ein Fenster in der Straße, das nicht seine besondere Nachtmütze zeigte; sie lauschten der grellen Diskantstimme der Frau Ilsy und dem gurgelnden Gequäke des Doktor Knipperhausen, und die Worte gingen von Fenster zu Fenster: »Ach, Dolph Heyliger ist zurückgekommen, und auch seine tollen Streiche sind wieder da.« Kurz, der arme Dolph fand, daß er vermuthlich nichts von dem Doktor erhalten werde, als gute Lehren, eine so überflüssige Zuthat, als man sie eben aus dem Fenster nicht besser verlangen kann; so war er denn gezwungen, den Rückweg einzuschlagen, und nahm sein Nachtquartier unter dem niedrigen Dache des ehrlichen Peter de Groodt.
Am nächsten schönen Morgen zeitig befand sich Dolph an dem bezauberten Hause. Alles sah gerade noch so aus, wie er es verlassen hatte. Die Felder waren grasgrün und sahen wie Wiesen aus, und es war, als hätte sie seit seiner Abwesenheit kein Fuß betreten. Mit klopfendem Herzen eilte er zu dem Brunnen. Er sah hinab und fand, daß er von großer Tiefe und bis zum Grunde mit Wasser gefüllt war. Er hatte sich mit einer starken Schnur, dergleichen sich die Fischer an den Bänken von Neufundland bedienen, versehen. Am Ende befand sich ein schweres Stück Blei und eine große Fischangel. Damit begann er den Grund des Brunnens zu sondiren und in dem Wasser herum zu angeln. Das Wasser war von ziemlicher Tiefe und es befanden sich viel Schutt und Steine darin, die von oben hineingefallen waren. Verschiedene Male blieb seine Angel hängen, und er hätte fast seine Schnur zerrissen. Hier und da zog er bloßen Unrath heraus, z. B. einen Pferdekopf, einen eisernen Reif und einen zerbrochenen Eimer, in Eisen gebunden. Mehre Stunden war er so beschäftigt, ohne etwas zu finden, was ihn hätte beruhigen oder zu fernerem Nachsuchen hätte veranlassen können. Er fing an, sich für einen großen Thoren zu halten, daß er sich so durch bloße Träume bei der Nase hatte herumführen lassen, und war schon nahe daran, Angelschnur und Alles in den Brunnen zu werfen und alles weitere Angeln aufzugeben. »Noch einmal will ich die Schnur auswerfen«, sagte er, »und das soll das letzte Mal sein.« Als er sondirte, fühlte er das Bleiloth durch die Zwischenräume lockerer Steine schlüpfen, und als er die Schnur zurückzog, bemerkte er, daß der Angelhaken an etwas Schwerem festhielt. Er mußte seine Schnur mit großer Vorsicht handhaben, sonst würde sie bei der Anstrengung, der sie ausgesetzt war, zerrissen sein. Nach und nach gab der Schutt, der auf dem Gegenstande lag, den er angehakt hatte, nach; er zog ihn an die Oberfläche des Wassers, und wie groß war sein Entzücken, als er etwas wie Silber am Ende seiner Schnur glänzen sah! Fast athemlos vor Angst zog er es bis zur Mündung des Brunnens, voll Erstaunen über sein großes Gewicht, und jeden Augenblick fürchtend, sein Angelhaken möge von seinem Angelpunkt sich losmachen und seine Beute wieder auf den Grund fallen. Endlich brachte er es glücklich außerhalb des Brunnens. Es war eine große silberne Suppenterrine, von alter Form, reich mit erhabener Arbeit versehen und mit auf den Seiten eingravirten Wappenfiguren, ähnlich denen über dem Kaminsims seiner Mutter. Der Deckel war durch verschiedene Drahtwindungen befestigt; Dolph löste sie mit
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