Dolph Heyliger (German Edition)
seines Bettes, bot ihm einen herzlichen Guten Morgen und fragte ihn, wie er geschlafen habe. Dolph antwortete ihm in froher Stimmung, nahm aber die Gelegenheit wahr, ihn über das Porträt auszufragen, das an der Wand hing. »Ach«, sagte Herr Anton, »das ist ein Porträt vom alten Kilian van der Spiegel, ehemaligem Bürgermeister von Amsterdam, der wegen einiger Volksunruhen Holland verließ und während der Regierung Peter Stuyvesants in die Provinz kam. Er war mein Ahnherr von mütterlicher Seite und ein alter filziger Knicker. Als die Engländer Neu-Amsterdam im Jahre 1664 in Besitz nahmen, zog er sich aufs Land zurück, wurde melancholisch, fürchtete, man werde ihm sein Vermögen nehmen und ihn an den Bettelstab bringen. Er verwandelte sein ganzes Eigenthum in baares Geld und bemühte sich sorgfältig, es zu verstecken. Ja, ein oder zwei Jahre lang hielt er sich selbst ängstlich im Verborgenen, indem er sich einbildete, die Engländer fahndeten nach ihm und wollten ihm sein Geld nehmen; endlich fand man ihn des Morgens todt im Bette, ohne daß Jemand hätte entdecken können, wo er den größeren Theil seines Geldes hin versteckt habe.«
Als sein Wirth das Zimmer verlassen hatte, blieb Dolph einige Zeit in Gedanken verloren. Seine ganze Seele war mit Dem beschäftigt, was er soeben gehört hatte. Van der Spiegel war der Familienname seiner Mutter, und er erinnerte sich von ihr gehört zu haben, daß dieser nämliche Kilian van der Spiegel einer ihrer Vorfahren gewesen sei. Auch hatte er sie sagen hören, daß ihr Vater Kilians rechtmäßiger Erbe gewesen sei; indessen war der alte Mann gestorben, ohne etwas zu hinterlassen, was hätte geerbt werden können. Es hatte nun den Anschein, daß auch Herr Anton ein Abkömmling und vielleicht ein Erbe dieses armen reichen Mannes sei, und daß also die Heyligers und die van der Heydens entfernt verwandt seien. »Was«, dachte er, »am Ende ist das die Auslegung meines Traumes, und die Reise nach Albany der Weg zu meinem Glücke, und vielleicht finde ich des alten Mannes verstecktes Vermögen auf dem Grund jenes Brunnens! Aber was für eine wunderliche weitschweifige Art, mir die Sache mitzutheilen! Warum konnte mir der alte Kobold die Sache mit dem Brunnen nicht gleich sagen, ohne mich den weiten Weg nach Albany machen zu lassen, blos um eine Geschichte zu hören, die mich den ganzen Weg wieder zurückschickt?«
Dergleichen Gedanken gingen während des Anziehens durch seinen Kopf. Er schritt hierauf die Treppe hinab, in voller Unruhe. Da strahlte ihm plötzlich das schöne Gesicht Marie van der Heydens in lieblichem Lächeln entgegen und schien ihm einen Schlüssel zu dem ganzen Geheimnis zu geben. »Am Ende«, dachte er, »hat der alte Geist doch Recht. Wenn ich seinen Schatz heben soll, so meint er damit, ich solle seine hübsche Verwandte heirathen; so werden beide Zweige der Familie wieder vereinigt, und das Vermögen fließt in seinen eigentlichen Kanal.«
Dieser Gedanke hatte sich nicht sobald seiner Seele bemeistert, als er auch zur Ueberzeugung wurde. Er war nun voll Ungeduld, nach Hause zu eilen und sich des Schatzes zu bemeistern, der, wie er nicht zweifelte, auf dem Grunde des Brunnens lag, und von dem er nur fürchtete, daß er jeden Augenblick von einem Anderen entdeckt werden könne. »Wer weiß«, dachte er, »ob nicht dieser alte Bursche, der Nachtwandler in dem verzauberten Hause, die Gewohnheit hat, Jedem, der es besucht, zu erscheinen, und einem schlimmeren Kunden, als ich bin, einen Wink giebt, der dann einen kürzeren Weg zum Brunnen findet, als den über Albany?« Er wünschte tausendmal, der alte kindische Geist läge im rothen See, und sein altes Porträt neben ihm. Er befand sich in vollkommner Verzweiflung wegen seiner Abreise. Zwei bis drei Tage vergingen, bevor sich eine Gelegenheit darbot, um auf dem Flusse zurück zu reisen. Sie waren für Dolph Jahrhunderte, ohngeachtet er sich an dem Lächeln der reizenden Marie sonnte und täglich sich mehr verliebte.
Endlich traf dieselbe Fregatte, von der er über Bord geworfen worden war, Anstalt unter Segel zu gehen. Dolph suchte seine plötzliche Abreise, so gut er konnte, bei seinem Wirth zu entschuldigen. Anton van der Heyden aber war sehr in Erstaunen versetzt. Er hatte ein halb Dutzend Streifzüge in die Wildniß beschlossen, und seine Indianer bereiteten bereits eine große Expedition nach einem der Seen vor. Er nahm Dolph bei Seite und erschöpfte seine ganze Beredsamkeit, ihn von allen
Weitere Kostenlose Bücher