Don Camillo und Peppone
ansehnliche Anzahl von Flaschen aus, und zum Schluß hielten sie Tischreden zur Ehre von irgendwelchen alten Generälen aus dem vorigen Krieg.
Gegen Abend warf Peppone wieder den Mantel um und ging zur Tür.
«Ich hoffe, daß Sie diesen Moment der Schwäche nicht niederträchtig ausnützen werden.»
«Nein», antwortete Don Camillo. «Aber an dem Tag, an dem ich dich werde aufhängen müssen, wird mich niemand hindern können, dich mit Hochachtung aufzuhängen.»
«Sie werden schon sehen, wenn die zweite Welle der Weltrevolution kommt!» murmelte düster Peppone und verschwand in der Nacht.
Schatten der Toten schwebten im Zwielicht eines aschgrauen Himmels von Sagra di Santa Gorizia und es war wie ein allegorisches Bild von Plinio Nemellini.
DIE ANGST
Peppone beendete die Lektüre der Zeitung, die mit der Nachmittagspost gekommen war, und sagte dann zu Smilzo, der auf einem Gestell in der Ecke des Amtszimmers saß und auf Befehle wartete:
«Heraus mit dem Wagen und bring den Trupp in einer Stunde her.»
«Ernste Sache?» erkundigte sich Smilzo.
«Lauf!» schrie Peppone.
Smilzo setzte den «Dodge» in Bewegung und fuhr davon. Nach dreiviertel Stunden kam er mit fünfundzwanzig Mann zurück. Peppone bestieg auch den Wagen, und sie gelangten schnell vor das «Haus des Volkes».
«Du bleibst hier und bewachst den Wagen!» befahl Peppone Smilzo. «Wenn dir etwas verdächtig vorkommt, rufst du.»
Als sie im Versammlungssaal waren, erstattete Peppone Bericht.
«Hier», sagte er und schlug mit der Faust auf das Blatt, auf dem große Titelzeilen zu sehen waren, «da haben wir die Sache: der Höhepunkt ist erreicht. Die Reaktion hat alle Zügel fallen lassen; man schießt auf Genossen, man wirft Bomben auf unsere Parteiheime.»
Er las laut einige Auszüge aus der Zeitung vor; es war «Milano Sera», ein Mailänder Nachmittagsblatt.
«Beachtet, bitte, daß es nicht eine Zeitung unserer Partei ist, die das schreibt! Es ist eine unabhängige Zeitung, und es sind keine leeren Geschichten, weil dies schon deutlich unter dem Titel geschrieben steht!»
«Stell dir nur vor!» brummt Brusco. «Wenn sogar die unabhängigen Zeitungen, die immer verflucht nach rechts ziehen und uns Opposition machen, wo und wann sie nur können, gezwungen sind, so zu schreiben, stell dir nur vor, wie viel ernsthafter noch muß die Sache tatsächlich sein! Ich kann kaum auf die ‹Unità› von morgen warten.»
Bigio zog die Schultern zusammen. «Du wirst vielleicht weniger darin finden», sagte er. «Bei der ‹Unità› arbeiten prima Genossen, aber alles Schriftsteller, Literaten, Leute von Kultur, die immer daraus eine große Philosophie machen und versuchen, diese Sachen als möglichst harmlos darzustellen, nur um das Volk nicht zu erregen.»
«Die gebildeten Leute trachten immer danach, daß sie im Rahmen der Ordnung bleiben und das Gesetz nicht verletzen», fügte der «Rothaut» hinzu.
«Dichter, nichts anderes!» schloß Peppone. «Es gibt aber Kerle, und wenn solche die Feder ergreifen, da regnet es Prügel, daß man auch Gottvater an die Wand drängen könnte.»
Sie besprachen weiter die Lage, lasen noch einmal die wichtigsten Absätze aus dem Mailänder Blatt und kommentierten sie. «Die faschistische Revolution ist im Gange», sagte Peppone. «Von einem Moment zum anderen können hier faschistische Trupps auftauchen, unsere Genossenschaften und das ‹Haus des Volkes› in Brand stecken und Leute prügeln und mißhandeln. Das Blatt schreibt von ‹faschistischen Zellen› und ‹Aktivisten›: es gibt keinen Zweifel!
Wenn nur Qualunquismus, Kapitalismus, Monarchie und ähnliches im Spiele wäre, würde man von Reaktionärem, von ‹Sehnsüchtigen› und so weiter reden. Hier ist klipp und klar vom Faschismus und von faschistischen Stoßtrupps die Rede. Und beachten wir, daß es ein unabhängiges Blatt ist! Wir müssen bereit sein, jeder Eventualität zu begegnen.»
Lungo sagte, daß sie sich nach seiner Meinung in Bewegung setzen müßten, bevor dies die anderen tun. Sie kannten ein für allemal die Reaktionäre und die Ehemaligen in der Gemeinde. «Wir suchen sie von Haus zu Haus auf, prügeln sie durch und man spricht nicht mehr davon.»
«Ach was», wandte Brusco ein, «ich bin der Meinung, daß wir uns damit von vornherein ins Unrecht setzen. Auch dieses Blatt schreibt, daß man auf die Herausforderungen antworten muß, nicht aber die Herausforderungen herausfordern, denn dann haben die anderen das Recht, mit
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