Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
auch ein großes Verlangen spürte, etwas Warmes zu essen, weil er schon seit vielen Tagen danach großen Hunger empfunden hatte. Dieser große Appetit trieb ihn auch bis dicht an die Schenke hinan, aber doch blieb es noch ungewiß, sollte er einkehren oder nicht; wie er noch in dieser Gemütsverfassung war, kamen zwei Leute aus der Schenke, die ihn sogleich kannten, und von denen der eine zum anderen sagte: »Herr Lizentiat, ist der auf dem Pferde da nicht Sancho Pansa, von dem die Haushälterin unseres Abenteurers sagte, daß er mit seinem Herrn als Stallmeister fortgezogen sei?«
»Er ist es«, sagte der Lizentiat, »und eben das Pferd gehört auch unserem Don Quixote.«
Diese Leute kannten ihn so gut, weil sie der Pfarrer und der Barbier desselben Ortes waren, die nämlichen, die das Verhör und Gericht über die Bücher gehalten hatten. Wie diese nun den Sancho Pansa samt den Rosinante erkannt hatten, begierig, von Don Quixote Neuigkeiten zu hören, liefen sie gleich zu ihm, und der Pfarrer rief ihn bei seinem Namen und sagte: »Freund Sancho Pansa, wo bleibt denn Euer Herr!«
Sancho Pansa kannte sie auch gleich und nahm sich vor, es nicht zu verraten, wo und wie sein Herr zurückgeblieben war; er antwortete also, sein Herr sei in voller Arbeit an einer gewissen Stelle und in einer gewissen Sache zurückgeblieben, die erstaunlich wichtig sei, die er aber nicht verraten dürfe, so lieb ihm die Augen im Kopfe wären.
»Nein, nein«, sagte der Barbier, »wenn Ihr uns, Sancho Pansa, nicht sagt, wo er geblieben ist, so werden wir glauben, wie wir es schon glauben, daß Ihr ihn umgebracht und geplündert habt, denn Ihr reitet auf seinem Pferde; wahrhaftig, Ihr müßt uns den Herrn des Gaules schaffen, oder es ergeht Euch übel.«
»Ihr braucht mir nicht so zu drohen, denn ich bin ein Mann, der keinen plündert und keinen umbringt, jeden bringt sein Schicksal um, oder vielmehr Gott selbst. Mein Herr ist hier mitten im Gebirge zurückgeblieben, wo er nach Herzenslust Buße tut.« – Und zugleich erzählte er ihnen in einem ununterbrochenen Strom, wie er zurückgeblieben sei, samt allen gehabten Abenteuern, und wie er einen Brief an die Dame Dulcinea von Toboso bei sich führte, die Tochter des Lorenzo Corchuelo, in die sein Herr bis über die Augen verliebt sei.
Die beiden standen voll Erstaunen über das, was Sancho Pansa ihnen erzählte, denn ob sie gleich Don Quixotes Narrheit sowie die Art derselben kannten, so waren sie doch immer von neuem verwundert, sooft sie davon hörten. Sie baten Sancho Pansa, ihnen den Brief zu zeigen, den er an die Dame Dulcinea von Toboso mit sich führte. Er sagte, daß er in ein Taschenbuch geschrieben sei, und wie ihm sein Herr befohlen habe, ihn auf Papier im ersten Orte abschreiben zu lassen, worauf der Pfarrer sagte, daß er ihn nur zeigen möchte, denn er wolle ihn selber sehr schön abschreiben. Sancho Pansa fuhr hierauf mit der Hand in den Busen und suchte die Schreibtafel, aber er fand sie nicht und hätte sie nicht gefunden, wenn er auch ewig gesucht hätte, denn Don Quixote hatte sie behalten und ihm nicht gegeben, so wie er es auch vergessen hatte, sie von ihm zu fordern. Als Sancho sah, wie er das Buch nicht fand, wurde er blaß im Gesichte, er fühlte sich hierauf noch einmal hastig am ganzen Körper herum und begriff zum zweiten Male, daß er sie nicht fand, worauf er sich ohne weiteres mit beiden Fäusten in den Bart griff, ihn halb zerzauste und sich dann sehr hastig, ohne auszuruhen, ein halbes Dutzend Faustschläge ins Gesicht und gegen die Nase gab, daß das Blut herunterfloß. Da dies der Pfarrer und Barbier sahen, fragten sie, was ihm denn zugestoßen sei, daß er sich so übel begegne.
»Was wird mir zugestoßen sein«, antwortete Sancho »als daß ich, wie man eine Hand umkehrt, drei junge Esel verloren habe, wovon mir jeder so wert wie ein Palast war.«
»Wie das?« fragte der Barbier.
»Das Taschenbuch habe ich verloren«, antwortete Sancho, »worin der Brief an die Dulcinea war und auch eine Wechselverschreibung von meinem Herrn, auf die mir die Nichte drei junge Esel von den vieren oder fünfen ausliefern sollte, die er im Hause hat«, worauf er ihnen auch den Verlust seines Grauen erzählte.
Der Pfarrer tröstete ihn und sagte, daß, wenn er seinen Herrn anträfe, er ihn die Verschreibung wollte erneuern lassen, und zwar so, daß er sie auf Papier aufzeichnete, wie es gebräuchlich und gewöhnlich sei, denn Verschreibungen in Taschenbüchern
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