Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
würden nicht für gültig anerkannt.
Damit tröstete sich Sancho und sagte, daß, wenn dem so sei, er sich nicht sonderlich gräme, daß er den Brief an Dulcinea verloren habe, denn er wüßte ihn auswendig, so daß er nie der geschrieben werden könnte, wo und wann sie es wollten.
»Sagt ihn gleich her, Sancho«, sprach der Barbier, »wir wollen ihn gleich niederschreiben.«
Sancho Pansa stand stille, kratzte den Kopf, um den Brief ins Gedächtnis zu locken; bald stellte er sich auf den einen Fuß und bald auf den anderen, jetzt schaute er die Erde an und jetzt wieder den Himmel, und nachdem er sich die halbe Spitze vom Finger heruntergebissen hatte und die beiden in der größten Erwartung standen, was er doch sagen würde, sagte er endlich nach einer ewigen Pause: »Mein Seel’, Herr Lizentiat, der Teufel soll gleich das Wort holen, das ich noch aus dem ganzen Briefe weiß, außer daß im Anfange gesagt wurde: Erhabene Herrscherin! Mein Närrchen!«
»Es wird nicht«, sagte der Barbier, »mein Närrchen heißen, sondern vielleicht meine Königin oder Monarchin.«
»So ist es auch«, sagte Sancho, »und gleich darauf, wenn ich mich recht erinnere, kam – wenn ich mich recht erinnere – der Geplagte und Schlaflose, und der Verwundete küßt Eure gnädigen Hände, undankbare und vorzüglich unbekannte Schöne; und dann kam, ich weiß nicht was von Gesundheit und Krankheit, die er schickte, und dann ging’s so weiter, bis es am Ende hieß: Der Eurige bis in den Tod, der Ritter von der traurigen Gestalt.«
Das gute Gedächtnis des Sancho Pansa machte den beiden kein geringes Vergnügen, sie lobten ihn sehr und baten ihn, den Brief noch einmal und dann noch einmal wieder herzusagen, und jedesmal sagte er wieder tausend neue Tollheiten. Hierauf erzählte er selbst alle Geschichten seines Herrn, aber er sagte kein einziges Wort von der Prelle, die ihm in der Schenke widerfahren war, in die er nicht einkehren wollte; er beschloß damit, wie sein Herr, wenn er von der Dame Dulcinea von Toboso gute Botschaft brächte, willens sei, sich auf den Weg zu machen und Kaiser zu werden oder wenigstens Despot, denn so wäre es unter ihnen beiden ausgemacht, nach der Tapferkeit seiner Person und der Gewalt seines Armes müsse ihm auch dieses Ding ziemlich leicht werden, wenn das geschehe, so wolle er ihn verheiraten, denn er würde dann wohl Witwer sein und müßte es sein, dann sollte er das Fräulein der Kaiserin zur Gemahlin kriegen, die eine reiche und große Herrschaft auf dem festen Lande erbte, denn aus Inseln oder Eiländern mache er sich nichts.
Dies alles sagte Sancho mit solcher Ruhe, indem er sich von Zeit zu Zeit die Nase wischte, und so ohne Verstand, daß die beiden sich von neuem verwunderten, indem sie erwägten, wie gewaltig Don Quixotes Tollheit sein müsse, weil sie auch den Verstand dieses armen Kerls mit sich genommen habe. Sie wollten sich die Mühe nicht geben, ihm seinen Irrtum zu benehmen, denn sie meinten, daß dadurch seinem Gewissen kein Schaden widerführe, wenn sie ihn darin ließen, wodurch seine Narrheiten ihnen überdies Vergnügen machten; sie sagten ihm also, er möchte nur für die Wohlfahrt seines Herrn zu Gott beten, denn es sei ein überaus mögliches und wahrscheinliches Ding, daß er im Verlaufe der Zeit wohl Kaiser würde oder wenigstens Erzbischof oder eine andere ähnliche Würde bekäme.
Worauf Sancho antwortete: »Meine Herren, wenn das Schicksal nun die Sachen so einrichten sollte, daß es meinem Herrn einfiele, nicht Kaiser, sondern Erzbischof zu werden, so möchte ich wohl wissen, was denn die irrenden Erzbischöfe ihren Stallmeistern zu geben pflegen.«
»Sie geben ihnen wohl«, antwortete der Pfarrer, »irgendeine Kirchenstelle oder einen Küsterdienst, der was Tüchtiges einträgt, die Akzidenzien ungerechnet, die sich wohl ebenso hoch belaufen mögen.«
»Da wird’s wohl nötig sein«, versetzte Sancho, »daß der Stallmeister nicht verheiratet ist und daß er wenigstens bei der Messe helfen kann, aber ach, ich armes Kind, ich bin verheiratet und weiß nicht die ersten Buchstaben vom Abc. Was soll aus mir werden, wenn sich’s mein Herr in den Kopf setzt, Erzbischof und nicht Kaiser zu werden, wie es doch sonst bei den irrenden Rittern Gebrauch und Herkommen ist.«
»Seid ohne Sorgen, Freund Sancho«, sagte der Barbier, »denn wir wollen Euren Herrn bitten und ihm noch dazu den guten Rat geben, ja es ihm zur Gewissenssache machen, Kaiser und nicht Erzbischof zu
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