Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
eine von dem berühmten Poeten Garcilasso und die zweite von dem unvergleichlichen Camoens, in seiner eigenen portugiesischen Sprache, die wir bis jetzt noch nicht vorgestellt haben. Gestern war der erste Tag, an dem wir hier gewesen sind; unter jenen Zweigen haben wir einige Zelte aufgeschlagen, wie es im Felde gebräuchlich ist, am Ufer eines rauschenden Baches, der alle diese Wiesen bewässert; in der Nacht haben wir in den Bäumen diese Netze aufgespannt, um die einfältigen Vögel zu berücken, die von unserem Lärmen erschreckt, sich freiwillig darin fangen. Ist es Euch gefällig, unser Gast zu sein, so sollt Ihr freundlich und höflich aufgenommen werden, denn jetzt darf sich kein Verdruß und keine Traurigkeit diesem Orte nähern.«
Sie schwieg und sagte nichts weiteres. Worauf Don Quixote antwortete: »Wahrlich, schönste Dame, mehr erstaunt und verwundert kann nicht Aktäon gewesen sein, als er unvermutet Diana im Bade sah, als ich in Verwunderung bin, Eure Schönheit zu erblicken. Ich lobe den Vorsatz Eurer Unterhaltung, und für Euer gütiges Anerbieten sage ich Dank, kann ich Euch dienen, so dürft Ihr mir, von meinem Gehorsam überzeugt, gebieten; denn ich habe kein anderes Gewerbe, als mich dankbar und als einen Wohltäter des ganzen menschlichen Geschlechtes zu bezeigen, vorzüglich aber so auserlesenen Damen, als Ihr es seid; daher, wenn diese Netze, die ohne Zweifel nur einen kleinen Raum einnehmen, auch den Umfang der ganzen Erde einnehmen sollten, so würde ich lieber neue Welten zu meinem Wege suchen, als sie zerreißen. Und damit Ihr dieser meiner Hyperbel Glauben beimessen mögt, so erfahrt, daß derjenige, der Euch dieses verspricht, kein Geringerer als Don Quixote von la Mancha ist, wenn dieser Name Euer Ohr erreicht haben sollte.«
»Ach, liebste Freundin«, sagte hierauf die andere Schäferin, »welches außerordentliche Glück! Siehst du diesen Ritter da vor uns? Du mußt wissen, daß er der tapferste, der verliebteste und der artigste auf der ganzen Welt ist, wenn die Geschichte nicht lügt und uns hintergeht, die von seinen Taten gedruckt ist und die ich gelesen habe. Ich wette, daß der wackere Mann, der mit ihm kommt, ein gewisser Sancho Pansa, sein Stallmeister ist, mit dessen Lustigkeit sich nichts vergleichen läßt.«
»Das ist wahr«, sagte Sancho, »ich bin dieser Lustige und dieser Stallmeister, von dem Ihr sprecht, und dieser Ritter ist mein Herr, der nämliche Don Quixote von la Mancha, in Büchern geschildert und beschrieben.«
»Ach!« sagte die andere, »wir wollen ihn bitten, daß er bleibe, denn unsere Eltern und Brüder würden sich außerordentlich darüber freuen, ich habe auch von seiner Tapferkeit und Anmut das nämliche gehört, was du gesagt hast, vorzüglich aber rühmt man, daß er der treueste und beständigste Liebende sei, von dem man nur weiß, und seine Dame ist eine Dulcinea von Toboso, welcher ganz Spanien die Palme der Schönheit zuerkennt.«
»Und mit Recht«, sagte Don Quixote, »wenn sie ihr Eure unvergleichliche Schönheit nicht streitig macht; bemüht Euch aber nicht, meine Damen, mich zurückzuhalten, denn die genauen Vorschriften meines Standes erlauben mir nicht, auch nur an irgendeiner Stätte der Ruhe zu pflegen.«
Indem kam nach dem Ort, wo die vier standen, der Bruder von der einen Schäferin, auch als Schäfer gekleidet, mit solcher Kostbarkeit, daß seine Tracht mit der der Schäferinnen übereinstimmte. Sie erzählten ihm, daß derjenige, der vor ihnen stände, der tapfere Don Quixote von la Mancha und der andere sein Stallmeister Sancho sei, welche er schon kannte, weil er seine Historie gelesen hatte. Der vornehme Hirt freute sich und bat ihn so höflich, sie nach ihren Zelten zu begleiten, daß Don Quixote nachgeben mußte. Indem kam das Treiben herbei, und mancherlei Vögel flogen in die Netze, die, von der Farbe der Netze betrogen, in die Gefahr stürzten, der sie entfliehen wollten. Es fanden sich hierauf an dem Orte mehr als dreißig Personen zusammen, alle prächtig als Schäfer und Schäferinnen gekleidet, und zugleich erfuhren sie alle, wer Don Quixote und sein Stallmeister wären, worüber sie sich nicht wenig freuten, weil sie sie schon aus der Historie hatten kennenlernen. Man begab sich nach den Zelten, die Tische waren schon gedeckt und kostbar, reich und glänzend besetzt; man erzeigte Don Quixote die Ehre, daß er den obersten Platz einnehmen mußte; alle sahen auf ihn und alle verwunderten sich über seinen Anblick.
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