Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
meine Schritte alsdann auf einen besseren Weg lenke, als ich bisher betreten habe.«
»Gott erhöre dies, und der Satan sei taub«, rief Sancho bei dieser Gelegenheit aus.
Die Leute verwunderten sich, sowohl über die Gestalt wie über die Reden des Don Quixote, ohne nur die Hälfte von dem zu begreifen, was er ihnen sagen wollte. Sie endigten ihre Mahlzeit, nahmen ihre Bilder auf und sagten Don Ouixote Lebewohl, indem sie ihren Weg verfolgten. Sancho war von neuem über alles, was sein Herr wußte, so erstaunt, als wenn er ihn noch nie gekannt hätte, denn er glaubte, daß keine Geschichte oder keine Begebenheit in der Welt sei, die er nicht an den Fingern hersagen könne und auswendig wisse.«Wahrlich,« rief er aus, »wenn das, mein teurer Herr, was uns jetzt begegnet ist, ein Abenteuer genannt werden kann, so ist es eins der lieblichsten und köstlichsten, die uns nun auf unserer ganzen Wanderschaft zugestoßen sind; ohne Schläge und ohne Angst haben wir es beendigt, ohne die Hand an den Degen zu legen, noch mit dem Leibe auf die Erde zu schlagen oder Hunger zu erleiden; gelobt sei Gott, daß es mir vergönnt war, dergleichen mit meinen eigenen Augen zu sehen.«
»Du sprichst recht, Sancho«, sagte Don Quixote; »aber du mußt wissen, daß nicht alle Zeiten gleich sind oder sich auf gleiche Weise anlassen, und das, was der Pöbel gewöhnlich Vorbedeutungen zu nennen pflegt, die nirgend in der Vernunft gegründet sind, wird von den Verständigen nur für glückliche Zufälle gehalten. Einer von diesen Abergläubischen stand am Morgen auf, ging aus seinem Hause und begegnete einem Mönche von dem Orden des heilbringenden Sankt Franziskus, worauf er so schnell, als wenn er einem Greifen begegnet wäre, wieder umkehrte und in sein Haus zurückging. Einem anderen, Mendoza, wurde das Salz über den Tisch geschüttet, wodurch sich ihm zugleich eine Melancholie in das Herz schüttete, als wenn die Natur gezwungen wäre, ein künftiges Unglück durch dergleichen Kleinigkeiten, wie die erzählten Dinge sind, vorher zu sagen. Der verständige Christ wird das nicht ausrechnen wollen, was der Himmel tun will. Als Scipio nach Afrika kam, fiel er hin, indem er auf das Land sprang, dies hielten seine Soldaten für eine schlimme Vorbedeutung; er aber umarmte die Erde und sagte: ›Du kannst mir nicht entfliehen, Afrika, denn ich halte dich fest und in meinen Armen.‹ Darum, Sancho, ist es für mich ein sehr glücklicher Zufall gewesen, daß ich diesen Bildern begegnet bin.«
»Das glaube ich auch«, antwortete Sancho, »ich möchte aber wohl das von Euch wissen, warum die Spanier, wenn sie in eine Schlacht gehen, diesen Sankt Diego Mohrentöter mit den Worten anrufen: ›Sankt Jago und Spanien zu!‹ Ist denn etwa Spanien offen, daß man es zuschließen müßte? Oder was hat das sonst zu bedeuten?«
»Du bist sehr einfältig, Sancho«, antwortete Don Quixote, »siehe, diesen großen Ritter vom roten Kreuz hat Gott Spanien zum Schutzpatron und Beistande verliehen, vorzüglich in dem harten Streit, den die Spanier mit den Mohren gehabt haben, darum rufen sie ihn in allen ihren Schlachten als ihren Beschützer an, und oft hat man ihn sichtbar wahrgenommen, wie er die feindlichen Heerscharen angreift, verfolgt, zerstört und vernichtet; und von dieser Wahrheit könnte ich dir viele Exempel anführen, die in den wahrhaftigen spanischen Historien erzählt werden.«
Sancho veränderte das Gespräch und sagte zu seinem Herrn: »Ich habe mich, gnädiger Herr, über die Leichtfertigkeit der Altisidora, der Kammerfrau der Herzogin, verwundern müssen; tüchtig muß sie doch getroffen und verwundet von dem sogenannten Amor sein, der ein blinzelnder Schlingel sein soll, denn wenn er auch Triefaugen hat oder eigentlich gar nicht sehen kann, so schießt er doch, wenn er sich ein Herz, selbst das kleinste, zum Ziele setzt, dieses mit seinen Pfeilen durch und durch. Ich habe auch gehört, daß an der Keuschheit und Ehrbarkeit der Mädchen die Liebespfeile abgestumpft werden; aber es scheint, daß sie an dieser Altisidora eher schärfer als stumpfer werden.«
»Merke, Sancho«, sagte Don Quixote, »daß die Liebe keine Rücksichten kennt, auch niemals in ihrer Laufbahn den Weg der Vernunft verfolgt, so daß sie dieselbe Beschaffenheit hat wie der Tod, der ebensogut die hohen Schlösser der Könige als die niedrigen Hütten der Schäfer besucht, und hat sie einmal eine Seele in Besitz genommen, so ist das erste, was sie tut, daß sie
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