Doppelbelichtung
denken, ich sei verrückt. Er muß doch denken, ich wäre noch ein Kind.«
»In dieser Dunkelheit gehst du glatt für sechzehn durch.« »Bist du auch ganz sicher?« fragte Corey, nur zu bereit, sich Dianas Urteil zu fügen. Obwohl zwischen ihnen nur ein fahr Altersunterschied bestand, war Diana für Corey ein Muster an jugendlicher Weitläufigkeit: höflich, zurückhaltend und äußerlich selbstsicher. Bis vor kurzem hatte sich Corey in ihrem »Marineanzug« ausgesprochen hübsch gefühlt, in den weitgeschnittenen marineblauen Hosen und der knappen weißen Jacke mit den Goldapplikationen auf den Schultern und den Goldknöpfen. Jetzt wartete Corey in einem wahren Fegefeuer der Unsicherheit auf Dianas endgültiges Urteil. »Ja, ich bin sicher.«
»Und was ist, wenn er mich für affig hält?«
»Das wird er nicht.«
»Ich weiß nicht, was ich zu ihm sagen soll!« Diana setzte sich wieder in Bewegung, aber Corey hielt sie noch einmal zurück. »Was soll ich nur sagen? Was soll ich nur tun?« »Ich habe eine Idee. Nein, nimm die Kamera ruhig mit«, sagte Diana, als Corey den Apparat auf einen leeren Gartensessel legen wollte. »Nur keine Sorge.«
Corey sorgte sich nicht, sie war vor Furcht wie gelähmt, denn innerhalb weniger Minuten hatte sie das Schicksal aus der Kindheit in einen neuen Lebensabschnitt geworfen, und sie war viel zu mutig und zu erregt, um in die Sicherheit des bekannten Lebensabschnitts zurückflüchten zu wollen.
»Hi, Spencer«, rief Diana, als sie vor ihrem Ziel standen. »Diana?« fragte er in dem schmeichelhaften Tonfall eines Menschen, der seinen Augen kaum zu glauben vermag. »Du bist ja richtig erwachsen.«
»Oh, das will ich doch nicht hoffen«, erwiderte sie mit der hoheitsvollen Gelassenheit, die Corey bei passender Gelegenheit unbedingt imitieren wollte. -Wenn ich wirklich erwachsen bin, möchte ich schon noch sehr viel größer sein!« Sie wandte sich an Corey und sagte: »Das ist meine Schwester Caroline.«
Der Augenblick, den Corey ersehnt und gleichzeitig gefürchtet hatte, war da. Diana unendlich dankbar dafür, ihren richtigen Namen genannt zu haben, weil er sehr viel älter und chicer klang, hob sie den Blick von seinem Smokinghemd über sein sonnengebräuntes Kinn, bis er schließlich auf seine bernsteinfarbenen Augen traf - und es durchfuhr sie so heftig, daß ihre Knie zu zittern begannen.
Er streckte ihr die Hand entgegen, und wie aus weiten Fernen hörte sie seine tiefe Stimme, eine Samtstimme, die sie zu streicheln und zu liebkosen schien. »Caroline«, wiederholte er.
»Ja«, hauchte sie, blickte ihm in die Augen und überließ ihre bebenden Finger seiner Hand. Seine Hand war warm und kräftig. Unwillkürlich schlossen sich ihre Finger noch fester um seine Hand und hinderten ihn so, den Kontakt wieder abzubrechen.
Diana kam ihr glücklicherweise zu Hilfe, indem sie Mrs. Bradley und ihre Großmutter von Coreys hingerissener Pose ablenkte. »Corey hat noch einen Film in ihrer Kamera, Mistress Bradley. Wir dachten, es könnte sehr hübsch sein, eine Aufnahme von Ihnen zusammen mit Spencer zu machen.« »Was für ein reizender Einfall«, erwiderte Mrs. Bradle und brach den Bann, indem sie Corey direkt ansprach. »Von deiner Großmutter weiß ich, daß du eine vielversprechende junge Fotografin bist.«
Corey sah über ihre Schulter hinweg Mrs. Bradley an und nickte, hielt aber noch immer Spencer Addisons Hand umklammert.
»Welche Haltung sollten Spencer und seine Großmutter deiner Meinung nach einnehmen?« fragte Diana.
»Haltung? Ach ja.« Corey ließ Spencers Hand los und wandte zögernd den Blick von ihm ab. Dann trat sie hastig einen Schritt zurück, hob den Apparat, sah durch den Sucher, richtete die Kamera direkt auf Spencer und blendete ihn fast mit dem plötzlichen Aufflammen des Blitzlichts. Er lachte laut auf, und sie drückte erneut auf den Auslöser.
»Das war ein wenig zu schnell«, erklärte Corey atemlos und blickte erneut durch den Sucher. Diesmal strahlte er sie direkt an mit einem traumhaften Lächeln, das sich über sein ganzes Gesicht ausbreitete und in den braunen Augen festsetzte. Coreys Herz machte so heftige Sprünge, daß sie befürchtete, die nächsten Aufnahmen zu verwackeln. In ihrer Begeisterung über die Chance, am nächsten Morgen zahllose Fotos von ihm ansehen zu können, vergaß sie die arme Mrs. Bradley völlig und drückte nahezu pausenlos auf den Auslöser.
»Und wie«, erklärte Diana und klang, als würde sie an irgend etwas
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