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Dornröschenschlaf

Dornröschenschlaf

Titel: Dornröschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Gaylin
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Konfetti auf den Dosen mit Sprite und Orangenlimonade gelegen hatten. Von jedem der Trinkpäckchen hatten sie fröhliche Comic-Früchte angestrahlt. Carol hatte die Getränkemarke nicht gekannt. Natürlich war sie keine Mutter und erinnerte sich kaum an ihre eigene Kindheit, weshalb sie all diese speziell für junge Menschen gemachten Dinge vollkommen verwirrend fand. Warum mussten Kinder überhaupt Saft aus Tüten trinken? Und was war an Früchten mit Augen toll?
    Sie hatte eines der Trinkpäckchen – grün, mit einem lächelnden Apfel mit Hasenzähnen bedruckt – aus der Kühlbox gerissen und dem Mädchen in die Hand gedrückt.
    Â»Hier.«
    Iris hatte das Gesicht verzogen.
    Â»Was?«
    Â»Das ist Apfelsaft«, hatte die Kleine ihr erklärt. »Ich will aber Orange-Ananas.«
    Carols Blick war vom Gesicht des Mädchens in Richtung der Küchentür gewandert, durch deren kleines Fenster Lydias schimmernd schwarzes Haar und Nelson zu sehen gewesen waren. Er hatte sich dicht über sie gebeugt, wie um sie besser zu verstehen.
    Â»Orange-Ananas«, hatte Iris wiederholt.
    Â»Ich bin nicht deine Mutter. Hol dir dein Getränk gefälligst selbst. «
    Die schwarzen Augen waren riesengroß geworden.
    Carol hatte angefangen zu schwitzen, und es war ihr vorgekommen, als hinge ihre Stimme wie ein übler Geruch im Raum. Was bin ich nur für ein Mensch?, hatte sie sich gefragt. Was ist nur plötzlich mit mir los? Aus irgendeinem Grund hatten diese Gedanken sie wütend auf Iris gemacht, und dafür hatte sie sich noch mehr geschämt. »Ich … ich … ich hole dir den Saft.«
    Doch bis sie wieder vor die Kühlbox getreten war und einen neuen Karton herausgenommen hatte – mit einer zwinkernden, baseballmützenbewehrten Ananas und einer puppengesichtigen Orange –, hatte sich das kleine Mädchen bereits aus dem Staub gemacht.
    Carol starrte auf die Unterlagen, die sie in den Händen hielt – ein weiteres Symptom der Zeit »danach«, das jedoch noch schmerzlicher als ihre Hilfsbereitschaft für sie war. Sie hatte ein Feuer angezündet – das erste Feuer dieses Herbstes – und hätte beinahe die Papiere hineingeworfen, einfach um der Freude willen mit anzusehen, wie sie sich in Asche verwandelten. Denn auf jeden Fall wäre es besser, als sie durchzulesen, wusste sie. Warum etwas lesen, was ihr sicher auch nicht weiterhalf? Schließlich hatte ihre fünfjährige Suche nach dem Mädchen bisher nicht das mindeste erbracht.
    Doch sie brachte es nicht über sich, die Dokumente zu verbrennen. Und so trat sie vor die Tür neben dem Buchregal, öffnete den kleinen Raum, der für Nelson einfach nur die Utensilien für ihre Handarbeiten barg, und griff nach der kleinen schwarzen Truhe, die unter den Taschen mit den Stricksachen verborgen war. Sie klappte den Deckel auf, nahm die bunten Stoffschnipsel und zu farbenfrohen Klumpen zusammengenähten Vierecke, die Garnrollen, die Musterbücher und die hölzerne Nadeldose (lauter Überreste der Quilt-Fertigungsphase, die sie fünfzehn Jahre zuvor durchlaufen hatte) heraus, löste das Stück Pappe, das sie passend für den Truhenboden zurechtgeschnitten hatte, und legte den Stapel Papiere hinein. Legte ihn ungelesen auf die vielen anderen Stapel, die sie niemals hätte lesen sollen, drückte dann das Pappviereck zurück an seinen Platz und packte alles wieder ein, bis das Behältnis wieder einfach ihre Quilt-Zubehör-Truhe war.
    Die neuen Papiere hatte sie von Mr Klavel – einem frettchenhaften Kerl mit einem im Souterrain gelegenen Büro im benachbarten Mount Temple, einer hohen, schweißglänzenden Stirn und einem derart schlechten Atem, dass man beinahe hätte meinen können, dass es Absicht war. Mr Klavel, der letzte einer ganzen Reihe billiger Privatdetektive, die Carol heimlich angeheuert hatte, und wahrscheinlich der unsensibelste Mensch, dem sie jemals begegnet war.
    Â»Die Früchte meiner Arbeit«, hatte er gesagt, als er mit den zehn Jahre alten Polizeiakten, einem Foto von Iris als Schulanfängerin, Mitschnitten von Telefongesprächen sowie den Adressen bekannter Pädophiler, die zehn Jahre zuvor in einem Umkreis von zwanzig Meilen von Carols Heim in Tarry Ridge, New York, gelebt hatten, zu ihrer Besprechung gekommen war, »sind alle faul.« Auch wenn Carol es immer noch nicht

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