Double Cross. Falsches Spiel
schwer zu verheimlichen war, mußten wir davon ausgehen, daß die Deutschen irgendwann herausfinden würden, was wir planten. Unsere Lösung bestand darin, das Geheimnis von Mulberry für sie zu stehlen und so das Spiel zu kontrollieren.« Boothby sah Vicary an. »Jetzt sind Sie dran, Alfred. Ich möchte wissen, wieviel Sie sich selbst zusammengereimt haben.«
»Walker Hardegen. Ich würde sagen, alles begann mit Walker Hardegen.«
»Sehr gut, Alfred. Aber wie?«
»Walker Hardegen war ein reicher Bankier und Geschäftsmann, stockkonservativ, antikommunistisch und wahrscheinlich ein bißchen antisemitisch. Er hatte an einer Eliteuniversität studiert und kannte somit halb Washington. Die Amerikaner sind in diesem Punkt nicht viel anders als wir. Seine Geschäfte führten ihn regelmäßig nach Berlin. Männer wie Hardegen besuchten dort Botschaftsempfänge und Partys. Sie speisten mit den Chefs der größten deutschen Konzerne und mit Nazigrößen aus der Partei und den Ministerien. Hardegen sprach perfekt Deutsch. Vermutlich bewunderte er die Nazis sogar in mancher Hinsicht. Er hielt Hitlerdeutschland für einen wichtigen Puffer zwischen den Bolschewiken und dem übrigen Europa.
Ich würde sagen, daß bei einem seiner Besuche die Abwehr oder der SD auf ihn aufmerksam wurden.«
»Bravo, Alfred. Tatsächlich war es die Abwehr. Der Mann, der auf ihn aufmerksam wurde, war Paul Müller. Müller leitete die Operationen der Abwehr in Amerika.«
»Okay, Müller warb ihn ab. Oh, er spielte die Sache wahrscheinlich ein bißchen herunter und sagte zu Hardegen, daß er genaugenommen nicht für die Nazis arbeite, sondern beim Kampf gegen den internationalen Kommunismus helfe. Er bat Hardegen um Informationen über die amerikanische Industrieproduktion, die Stimmung in Washington und ähnliches. Hardegen willigte ein und wurde ein Agent. Ich habe eine Frage. War Hardegen zu diesem Zeitpunkt bereits amerikanischer Agent?«
»Nein«, sagte Boothby und lächelte. »Vergessen Sie nicht, 1937 hatte das Spiel gerade erst begonnen, und die Amerikaner waren damals noch nicht so furchtbar schlau. Sie wußten allerdings, daß die Abwehr in den Staaten aktiv war, insbesondere in New York. Im Jahr zuvor hatten die Pläne für das Norden-Bombenzielgerät im Koffer eines Agenten der Abwehr namens Nikolaus Ritter das Land verlassen. Roosevelt hatte Hoover vom FBI beauftragt, hart durchzugreifen. 1939 wurde Hardegen in New York bei einem Treff mit einem bekannten Abwehragenten fotografiert. Zwei Monate später wurde er mit einem anderen Abwehragenten in Panama-Stadt beobachtet. Hoover wollte ihn verhaften und vor Gericht stellen lassen. Mein Gott, wie dumm sich die Amerikaner damals anstellten! Zum Glück hatte der MI6 inzwischen sein Büro in New York eingerichtet. Wir intervenierten und überzeugten Hoover, daß uns Hardegen nichts mehr nutzen konnte, wenn er in einer Gefängniszelle schmorte. Er mußte im Spiel bleiben.«
»Und wer hat ihn dann geführt und kontrolliert, wir oder die Amerikaner?«
»Eigentlich war es ein gemeinsames Projekt. Durch Hardegen lieferten wir den Deutschen regelmäßig exzellentes Material, wirklich erstklassige Ware. Hardegens Kurs in Berlin stieg rapide. In der Zwischenzeit nahmen wir jeden Aspekt von Hardegens Leben genauestens unter die Lupe, auch seine Beziehung zu den Lauterbachs und zu einem brillanten Ingenieur namens Peter Jordan.«
»Und als 1943 die Entscheidung fiel, künstliche Häfen zu bauen und in der Normandie anzugreifen, traten der britische und der amerikanische Geheimdienst an Peter Jordan heran und baten ihn, für uns zu arbeiten.«
»Ja. Im Oktober 1943, um genau zu sein.«
»Er war der ideale Mann«, sagte Vicary. »Er war genau der Typ von Ingenieur, der für das Projekt gebraucht wurde, und außerdem sehr bekannt und angesehen in seiner Branche. Die Nazis brauchten nur in eine Bibliothek zu gehen und nachzulesen, was er geleistet hatte. Außerdem war er durch den Tod seiner Frau persönlich verwundbar geworden. Also erteilten Sie 1943 Hardegen den Auftrag, sich mit seinem Führungsoffizier von der Abwehr zu treffen und ihm von Jordan zu erzählen. Was ließen Sie die Deutschen damals wissen?«
»Nur daß Jordan an einem großen Bauprojekt arbeitete, das mit der Invasion zu tun hatte. Außerdem machten wir Andeutungen über seine Verwundbarkeit, wie Sie es nannten. Die Abwehr biß an. Müller informierte Canaris, und der wiederum Vogel.«
»Dann war das Ganze also ein
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