Double Cross. Falsches Spiel
Doch der wichtigste Grund war, daß Sie ein Freund des Premierministers waren und die Abwehr davon wußte.«
»Und als Sie mich feuerten, informierten Sie die Deutschen durch Hawke und Pelikan darüber. Sie hofften, daß die Deutschen das Kesselpauke-Material noch besser schlucken, wenn ein persönlicher Freund Winston Churchills geopfert wird.«
»Genau. Es stand alles im Drehbuch. Und es hat geklappt.«
»Und Churchill wußte Bescheid?«
»Ja, er wußte Bescheid. Wir hatten seine persönliche Zustimmung. Ihr alter Freund hat Sie verraten. Er liebt die schwarze Kunst, unser Winston. Ich glaube, er hat die Sache ziemlich genossen. Wie ich hörte, war die kleine Aufmunterungsrede, die er Ihnen in seinem Bunker gehalten hat, ein Klassiker.«
»Schweine«, murmelte Vicary. »Intrigante Schweine. Aber eigentlich muß ich mich wohl glücklich schätzen. Ich könnte tot sein, wie die anderen. Mein Gott! Ist Ihnen klar, wie viele Menschen für Ihr kleines Spiel sterben mußten? Pope, seine Freundin, Rose Morely, die beiden Männer von der Special Branch in Earl's Court, die vier Polizeibeamten bei Louth und ein weiterer in Cleethorpes, Sean Dogherty, Martin Colville.«
»Sie vergessen Peter Jordan.«
»Um Gottes willen, Sie haben Ihren eigenen Agenten getötet?«
»Nein Alfred, Sie haben ihn getötet. Sie haben ihn mit dem Boot hinausgeschickt. Das hat mir gefallen, wie ich zugeben muß. Der Mann, dessen persönlicher Leichtsinn uns fast den Sieg in diesem Krieg gekostet hätte, rettet ein junges Mädchen und büßt für seine Sünden. Hollywood hätte es nicht besser inszenieren können. Und die Deutschen glauben, so sei es tatsächlich gewesen. Außerdem steht die Zahl der Opfer in keinem Verhältnis zu dem Gemetzel, das Rommel angerichtet hätte, wenn er uns in der Normandie erwartet hätte.«
»Eine simple Gewinn-und Verlustrechnung? Ist das Ihre Sicht der Dinge? Eine schlichte buchhalterische Bilanz? Ich bin froh, daß ich draußen bin! Ich will nichts mehr damit zu tun haben! Nicht, wenn man solche Dinge tun muß. Meine Güte, Leute wie Sie hätten wir schon vor langer Zeit auf dem Scheiterhaufen verbrennen sollen.«
Sie überquerten den letzten Hügel. Vicarys Haus tauchte vor ihnen auf. Tante Matildas blühende Kletterpflanzen rankten sich über die Gartenmauer. Vicary wollte nur noch nach Hause. Er wollte die Tür hinter sic h zuschlagen, am offenen Kamin sitzen und nie mehr an die ganze Sache denken. Aber er wußte, daß dies nun nicht mehr möglich war. Er wollte Boothby loswerden.
Er beschleunigte seine Schritte und stapfte so schnell den Abhang hinunter, daß er fast das Gleichgewicht verlor. Boothby hatte trotz seiner langen, athletischen Beine Schwierigkeiten, ihm zu folgen.
»Das meinen Sie doch nicht im Ernst, Alfred. Die Arbeit hat Ihnen doch gefallen. Sie hat Sie fasziniert. Die Manipulationen und Täuschungsmanöver haben Ihnen Spaß gemacht. Ihr Kollege in der Universität will Sie sobald wie möglich wiederhaben, und Sie wissen nicht genau, ob Sie wollen, weil Sie gemerkt haben, daß alles, woran Sie je geglaubt haben, eine Lüge ist und daß meine Welt, diese Welt, die reale Welt ist.«
»Ihre Welt ist nicht die reale Welt, Sir Basil. Ich weiß nicht genau, was sie ist, aber real ist sie nicht.«
»Das sagen Sie jetzt, aber ich weiß, daß Sie alles ganz furchtbar vermissen. Mit unserer Arbeit verhält es sich wie mit einer Geliebten. Manchmal mag man sie nicht besonders.
Manchmal kann man sich selbst nicht leiden, wenn man mit ihr zusammen ist. Die großen Glücksmomente sind flüchtig. Aber wenn man versucht, sie zu verlassen, gibt es immer etwas, das einen zurückhält.«
»Ich fürchte, mit dem Vergleich kann ich nichts anfangen, Sir Basil.«
»Jetzt tun Sie schon wieder so, als seien Sie besser als wir anderen. Ich dachte eigentlich, Sie hätten Ihre Lektion inzwischen gelernt. Man braucht Menschen wie uns. Das Land braucht uns.«
Sie gingen durch das Tor und betraten die Einfahrt. Der Kies knirschte unter ihren Füßen. Es erinnerte Vicary an jenen Nachmittag, als er nach Chartwell bestellt worden war und den Posten beim MI5 bekommen hatte. Er erinnerte sich an den Morgen in Churchills unterirdischem Hauptquartier und an Churchills Worte. Sie müssen die moralischen Skrupel, die Sie noch haben, überwinden, Sie müssen Ihr menschliches Mitgefühl beiseite schieben und tun, was getan werden muß...
Wenigstens einer war ehrlich zu ihm gewesen, auch wenn es damals eine Lüge
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