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Down

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Titel: Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nate Southard
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Wangen entlang und über die Ohren hinweg, bevor sie sich durch das Rattennest aus schwarzen Haaren kämpften, das seinen Kopf bedeckte, um zur Decke hinaufzuklettern.
    Er hätte vor der Show nichts nehmen sollen. Ein kleiner Teil von ihm wusste das, aber dem Rest war es scheißegal. Der Rest genoss es, wie er eine winzige Menge Pulver schniefte und sich noch einen kleinen Nachschlag gönnte. Dann einen weiteren, um die Sache ins Rollen zu bringen. Anschließend hockte er sich in den Schneidersitz und fing an zu spielen, die bemerkenswert leichte SG, in der Hand, mit Saiten, die wie Seide unter den schwieligen Kuppen seiner Finger entlangstrichen. In einer kurzen Pause rieb er mit den Händen über die braune Cordhose, die er trug. Das Gefühl des rauen Stoffs, der an seinen Handflächen schabte, versetzte ihn in Hochstimmung.
    »Ey, Conner. Du hast noch zehn … ach Scheiße.«
    Er sah auf, vermutete, dass er ein zugedröhntes Grinsen im Gesicht hatte, und begegnete Potters missbilligendem Blick. Hinter seinem Bart funkelte der mächtige Tourmanager ihn zornig an. Als er tief einatmete, bildete sich Conner ein, seinen Brustkorb knarren zu hören.
    »Wird das heute wieder einer dieser Abende?«
    »Was für ein Abend, Potter?«
    »Ich habe keine Zeit für blöde Spielchen. Kannst du auftreten?«
    »Was? Red keinen Mist, klar!«
    »Beweis es mir.«
    Ohne darüber nachzudenken, riss er das Solo von Annabelle runter, gefolgt vom Intro zu Static Blast. Er spielte beides perfekt und Potter nickte, als ob er ihm signalisieren wollte, dass er es akzeptierte, obwohl es ihm ganz und gar nicht gefiel.
    »Und wie viel Zeit hast du noch?«
    »Zehn Minuten. Naja, inzwischen wahrscheinlich nur noch neun.«
    »Solltest du dann nicht längst beim Einspielen sein?«
    »Verdammt, ja.«
    »Hoch mit dir. Zeig’s ihnen, Conner.«
    »Klar, Chef. Kein Ding.« Er stand auf und machte sich auf den Weg.
    Die Zeit verschwindet. Für jene, die im Dunkeln warten – sie beten und halten sich an den Händen – sind die Sekunden längst zu Stunden geworden. Ihre Muskeln schmerzen unter der Anspannung, die sie in eine schreckhafte Starre versetzt. Wie lange soll das noch so weitergehen?
    Einige schauen aus den Sichtluken. Diesmal konzentrieren sie sich nicht auf die verkohlte Hülle des Triebwerks, sondern suchen stattdessen den Boden nach Anzeichen ab, dass sie bald landen. Wenn schon nicht die Lichter einer Landebahn, so hoffen sie wenigstens auf eine Stadt oder ein kleines Dorf. Aber da ist nichts als Finsternis.
    Das Flugzeug steigt und fällt, schwankt durch die Luft wie ein Betrunkener. Jedes Absacken zieht ein Keuchen oder einen entsetzten Aufschrei nach sich.
    Mit jedem Moment, der verstreicht, klingt das verbliebene Triebwerk noch ein bisschen schwächer. Die Stillephasen zwischen dem gequälten Wimmern werden länger und länger.
    Als er den verlassenen Münzfernsprecher erreichte, ging Potter im Geist seine To-Do-Liste noch einmal durch und warf einen kurzen Blick auf die Uhr.
    1. Endkontrolle bei Technikteam
    2. Aufruf: 20 Minuten bis zum Auftritt
    3. Treffen mit Reporterin vom Rolling Stone
    4. Ginnys Verstärker
    5. Aufruf: zehn Minuten
    6. Persönlicher Anruf bei Marie
    7. Aufruf: fünf Minuten
    8. Beginn der Show
    Es waren noch acht Minuten bis zum Auftritt und er wünschte sich, dass ihm mehr Zeit blieb. Oder fast noch besser: gar keine mehr. Der Gedanke an den Anruf riss ein schwarzes Loch in seinen Magen. Es war kein Anruf, den er gerne tat, aber er musste ihn erledigen. Es wurde von ihm erwartet. Mit einem Seufzen, das mehr wie ein Knurren klang, griff er nach der Brieftasche und kramte mit tauben Fingern die Telefonkarte für Ferngespräche heraus.
    Er hämmerte auf die Zahlentasten und wartete, dass sich die Verbindung aufbaute. Als das Freizeichen aus dem Hörer dröhnte, fragte er sich, was er tat, wenn sie nicht abnahm. Die Frage erübrigte sich, als ein »Hallo?« an seinem Ohr erklang.
    »Marie, hi. Hier ist Jake.«
    »Jake. Ich dachte mir gerade, dass es langsam Zeit wird.«
    »Tut mir leid. Ich habe hier höllisch viel zu tun.«
    »Der reinste Zirkus, was?«
    »Das kannst du laut sagen.« Die Genervtheit in ihrer Stimme war rau wie eine Drahtbürste und er wünschte sich, an Ort und Stelle im Boden zu versinken und zu verschwinden. Obwohl er sein Bestes getan hatte, schien es ihm nicht genug zu sein. Er wünschte, er wäre von Anfang an dabei gewesen. Vielleicht verstand seine Schwester das, vielleicht aber auch nicht.

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