Drachen-Mädchen
Einwände vorzubringen. Er zauberte einen Granatapfel herbei und schleuderte ihn mit aller Macht der tiefhängenden Wolke entgegen. Mit dumpfem Knall explodierte die Granate, und Fracto zerplatzte in tausend kleine Stücke, die eilig davontrieben. Der König der Wolken würde nun Zeit brauchen, um sich wieder zu sammeln. Doch der Schaden war angerichtet: Stanley steckte tief in der Klemme.
Zzapp! Zzapp! Löcher erschienen in den Drachenflügeln. Stanley zuckte zusammen, hörte jedoch nicht auf, mit den Flügeln zu flattern. Nun, da ihm kein Wind mehr entgegenschlug, gelang es ihm, den Strudel wieder auf die Rampe zurück und auf die andere Seite zu rollen.
Zzapp! Ein Zapplerloch in Stanleys Schwanz. Wieder zuckte der Drache schmerzerfüllt zusammen, ließ jedoch in seinen Anstrengungen nicht nach. Zzapp! Ein Loch erschien in Stanleys Hals. Dunkles Blut quoll hervor und strömte seine Schuppen hinab. Der Drache ließ den Kopf leicht hängen, und sein Flügelschlag wurde schwächer. Der Strudel begann wieder zurückzugleiten.
»Weitermachen, Stanley!« schrie Ivy verzweifelt. »Ich weiß, daß du es kannst!« Doch die Tränen quollen ihr aus den Augen wie das Blut aus den Wunden des Drachen. Mit gewaltiger Anstrengung bemühte sie ihren Optimismus. »Du bist viel zu zäh, als daß Würmer dich aufhalten könnten!«
Vielleicht hätte Ivys Talent genügt, wenn sie erwachsen und auf dem Höhepunkt ihrer Kraft gewesen wäre, aber sie war nur ein Kind. Stanley versuchte den Kopf zu heben, doch ohne Erfolg. Immer noch schlug er seine Flügel so heftig er nur konnte.
»Weiter nach links! Weiter links!« rief Ivy, und der Drache gehorchte verzweifelt, obwohl seine Flügel durchbohrt waren und seine Augen glasig wurden. Der Strudel trieb wieder in die richtige Richtung.
Doch es war vergebens. Stanley befand sich inzwischen auf halber Höhe in der Schlucht, während der Strudel hoch oben ruhte und sein Flügelschlag an Wirkung einbüßte.
»Kletter hoch, schnell!« rief Ivy. »Du schaffst es, Stanley! Du schaffst es!« Doch durch ihren Tränenschleier konnte sie ihn kaum noch erkennen.
Hugo ließ weitere Kirschen fliegen, weil er wußte, daß er ohnehin nichts ausrichten konnte.
Stanley setzte seine sechs Beine mühsam in Bewegung. Endlich, nach schier unendlicher Zeit, erreichte der Drache mit hängendem Kopf den oberen Rand der Rampe im selben Augenblick wie der zurückdriftende Strudel. »Flattern, Stanley, flattern!« schrie Ivy voller Grauen.
Stanley flatterte. Doch nun befand er sich mitten im Strudel und war verwundet; seine Kräfte ließen nach. Sein Flügelschlag konnte nur noch mit Mühe den Strudel am Platz halten, ohne ihn jedoch weiterzubewegen.
Hugos kluger Geist arbeitete noch immer auf Hochtouren, und nun fiel ihm eine neue Taktik ein. »Breite die Flügel aus!« rief er. »Und kriech vorwärts!«
Der Drache hörte ihn und kroch matt mit ausgebreiteten Flügeln voran, während herabstürzende Kirschen auf seinen Panzer prasselten. Der Strudel folgte seiner Bewegung.
»Der Vergessensstrudel!« rief Ivy, als es ihr wieder einfiel. »Er wird ihn vergessen lassen! Er ist drin!«
Hugo blickte sie entsetzt an.
»Selbst wenn er die Durchlöcherung vergißt, wird er sein Gedächtnis einbüßen!«
Stanley erblickte das Nest und sammelte seine letzten Kraftreserven. Mit einem Satz sprang er hoch – und landete genau auf dem Zapplernest.
Der Strudel wurde von ihm mitgerissen und legte sich über und um das Nest.
Das Zappeln der Würmer in der Mitte des Schwarms ließ nach. Noch immer bewegten sich die Zappler außerhalb des Nests davon, doch es erschienen keine neuen mehr. Der Strudel hatte ihnen das Gedächtnis geraubt und sie unschädlich gemacht. Dank Stanleys heldenhaftem letzten Sprung war das Nest neutralisiert worden.
Nun waren die drei vor den Zapplern in Sicherheit – und mit ihnen ganz Xanth, sobald die Schar der Verteidiger die verbliebenen Zappler ausgerottet hatte. Das war zwar auch keine leichte Aufgabe, aber durchaus im Bereich des Möglichen.
Stanley lag auf dem riesigen Nest wie auf einem gewaltigen Podest, während ihm das Blut über die Schuppen troff.
»Ach, Stanley!« rief Ivy und rannte auf ihn zu.
Hugo packte sie am Arm und riß sie zurück. »Nicht!« schrie er. »Nicht in den Vergessensstrudel laufen!«
»Ach so, ja!« Sie nickte. »Ich will nicht vergessen werden. Armer Stanley!«
Eines der Drachenohren zuckte. Stanley hatte schon immer ein ausgezeichnetes Gehör besessen,
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