Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
der eisige Wind, der ihr den Regen entgegentrieb, ließ sie unkontrolliert zittern.
Shaya biss die klappernden Zähne zusammen. Ihre Bewegungen wurden fahriger. Sie dachte an die warmen Ziegenleiber und den geschützten Platz, den sie aufgegeben hatte. Leise fluchend kletterte sie weiter. Was war aus der Kriegerprinzessin geworden, die sie einmal gewesen war? Sich nach der Geborgenheit stinkender Ziegen zu sehnen! Sie brauchte eine ordentliche Schlacht, um wieder klar zu werden. Zu lange hatte sie keinem Bastard mehr ihre Dornaxt im Schädel versenkt.
Endlich erreichte Shaya den Bergkamm. Und sah nichts! Die Finsternis war vollkommen. Lag unter ihr Ödland oder ein bewohntes Tal? Verzweifelt blickte sie zum Himmel auf. Der eisige Regen streichelte ihre Wangen. Sie sehnte sich danach, sich irgendwo zu verkriechen und das erste Licht abzuwarten. Aber sie durfte nicht stehen bleiben. Die Stunden der Nacht waren unbezahlbar. Jede Rast verringerte den Vorsprung, den sie vor ihren Verfolgern hatte. Und da war noch etwas. Es war zu kalt! Sie wusste, dass der Kältetod nicht allein mit Eis und Schnee kam. Wenn sie sich jetzt niederlegte, würde sie binnen einer Stunde völlig aus gekühlt sein. Sie würde müde werden und in das große Dunkel hin überschlafen.
Shaya entschied sich für den Abstieg. Noch immer bewegte sie sich auf allen vieren, jetzt aber rückwärts. Der Regen hatte an Stärke zugenommen. Der Fels war schlüpfrig. Sie tastete in alle Richtungen, aber es gab keinen Pfad. Immer wieder blickte sie verzweifelt zum Himmel, doch der Mond verbarg sich hinter Wolken. Es war unmöglich abzuschätzen, wie lange die Nacht noch dauern würde.
Sehr langsam kroch sie tiefer. Es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, als sie endlich einen Geröllstreifen erreichte. Kurz dachte sie, es würde nun einfacher werden. Doch dann gerieten die Steine unter ihren Füßen ins Rutschen, und sie musste sich fallen lassen, um nicht unkontrolliert zu stürzen. Mit den Steinen glitt sie ein wenig tiefer. Dann hörte die Bewegung auf.
Links von ihr erhob sich ein Block geronnener Finsternis. Ein Fels? Was sonst, du törichtes Huhn, schalt sie sich stumm. Sie blieb liegen. All ihre Glieder schmerzten. Der Regen streichelte sie. Sie fühlte sich taub und kraftlos. Die Kälte spürte sie schon gar nicht mehr.
Hatte sich der Fels bewegt? Shaya lachte auf. Was für ein Hasenherz sie geworden war!
Als Antwort auf ihr Lachen erklang ein tiefes Brummen. Der Fels bewegte sich tatsächlich. Ein Bär! Kara hatte einmal davon erzählt, dass sich gelegentlich ein Bär eine der Ziegen holte.
Shaya sprang auf und geriet auf dem Geröll sofort erneut ins Rutschen. Der Bär war so nah, dass sie glaubte, sein nasses Fell zu riechen. Er setzte ihr nach. Dabei bewegte er sich deutlich geschickter als sie.
Shaya rollte herum, versuchte hochzukommen und schlitterte noch ein Stück durch das Geröll. Etwas tiefer hörte sie Steine klackernd auf Felsen schlagen. Sie stieß sich das Knie an einem Vorsprung, der wie eine flache Insel aus den Gesteinstrümmern ragte. Wütend packte sie einen Stein und schleuderte ihn nach dem Bären. Lautes Brüllen war die Antwort.
Da sprang sie auf und richtete sich zu voller Größe auf. Doch sie fand keinen festen Stand, schlitterte langsam hangabwärts und brüllte nun ihrerseits aus Leibeskräften. Sie glaubte einmal gehört zu haben, dass man Raubtiere durch mutiges Auftreten und wilde Schreie in die Flucht schlagen könne. Der Bär hatte offensichtlich noch nicht davon gehört.
Das Licht des Sichelmondes fiel durch eine Lücke zwischen den Wolken, und einen Herzschlag lang sah Shaya die fingerlangen Fänge der Bestie über sich. Dieser Anblick veränderte alles, und große Ruhe überkam sie. Sie hatte in mehr als dreißig Scharmützeln und in zwei großen Reiterschlachten gekämpft. Panik bedeutete den Tod. Wenn der Bär durch ihre Schreie auch nicht erschreckt war, so war er doch zumindest verunsichert. Sie bückte sich und hob den größten Stein auf, den ihre klammen Finger zu packen bekamen.
»Du willst mich als Nachtmahl?«, zischte die Prinzessin. »Das wird dich Zähne kosten! Ich bin keine Ziege, auch wenn ich so rieche.« Sie schnellte vor und schlug dem Bären mit aller Kraft den Stein in die Schnauze.
Der dunkle Räuber brüllte erneut auf, dann stürmte er vor. Shaya sprang zur Seite, doch der massige Leib des Bären streifte sie. Sie geriet auf dem Hang ins Schlittern. Sofort ließ sie sich
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