DrachenKind (German Edition)
orangene Farbe und die schwarzen Streifen standen in einem leuchtenden, warmen Kontrast zu dem kalten Blauweiß des Schnees. Die tiefen Abdrücke seiner Tatzen sahen aus wie graublaue Löcher. Plötzlich erstarrte er, seine Augen waren geradeaus gerichtet. Eric war wie ein stummer, unbemerkter Betrachter, folgte dem Blick des Tieres und war selber kurz davor zu versteinern. Sie befanden sich im Gebirge, eindeutig auf einer zugeschneiten Wiese. Es war wohl nicht sehr hoch, denn weit vor ihnen erhob sich ein Hang, der so weit nach oben aus dem Boden wuchs dass an seinem Ende nicht mehr als eine dichte, weiße Wolkenmasse zu sehen war. Ringsherum um ihren einsamen Standpunkt sahen sie die dunklen, tiefgrauen Silhouetten der umliegenden Bergketten, getaucht in rauchigen Nebel. Und direkt vor ihnen, am oberen Teil des Berges, saß etwas Blaues. Eric erkannte sich selbst, wusste, dass er es war der dort oben war. Als er genauer hinsah bemerkte er, dass er nicht saß, sondern flog. Beinahe senkrecht, sehr steil glitt er nach unten, vielleicht nur wenige Meter über dem Schnee. Und mit einem Mal leuchtete ein heller, blauer Blitz auf und der Drache war verschwunden. Das Bild verschwand, als er vor lauter Erstaunen los ließ und dem Tiger seine Gedanken zurückgab. Der sah ihn an, fassungslos und Eric glaubte, Erkenntnis in dessen Augen zu sehen.
„Das bist du, du bist der Drache. Das wusste ich nicht. Aber deine Augen erinnerten mich an…etwas…Ich hatte keine Ahnung, dass du es bist.“
„Wer bist du denn?“
„Ich gehöre zu Imans Familie. Wir haben ihn aufgenommen nachdem er krank mit Saja aus dem Park ausgebrochen ist. Mein Vater ist schon lange tot, genau wie meine Mutter. Sie sind beide ermordet worden.“
Eric sah auf seine großen Tatzen. Der Tiger vor ihm schien gerade in seiner besten Zeit zu sein, war in dem Alter, in dem er alles tun könnte. Eric sah die Trauer und den blanken Hass gegen den Herrscher in seinem Geist, er konnte es ohne Umwege verstehen. Dasselbe hatte er erfahren, als der Adler gestorben war.
„Wie heißt du?“
Der Tiger schien zu überlegen, ob er ihm seinen Namen sagen sollte. Das konnte seinen Tod bedeuten. Schließlich verbeugte er sich und meinte:
„Seraf. Wir sehen uns sicher noch…Entschuldige bitte.“
In einer gleitenden, geschmeidigen Bewegung drehte er sich um, ging zurück zu seinem Platz und sah Eric nachdenklich an. Eric spürte Zuneigung, bei ihm und bei sich selbst. Er merkte sofort wie allein die Geschichte eines Fremden schnell dazu führen konnte dass man sich mit ihm verbündete. Mia sah erleichtert aus, zusammen gingen sie die langen Treppen hinunter. Sie hatten sich nicht verändert, die beruhigende Wirkung des gigantischen Komplexes war geblieben. Nur eines hatte sich verändert. Die Stille, welche Eric in Erinnerung gehabt hatte, war nicht mehr da. Auf jeder Etage wurde das getan, wozu sie gebaut worden war. Als sie an dem Schulraum vorbei kamen, saßen dort unzählige Kinder und wurden von einem alten Mann über die verschiedenen Eigenschaften von Heilpflanzen unterrichtet. In den Augen seiner Schüler stand der Tatendrang, bald würden sie helfen dürfen, Medizin und wichtige Heilmittel herzustellen, bekämen Zugang zu unbekannten Bereichen im Tempel. Eine Etage tiefer sahen sie, wie sich neun Menschen in einem wilden, kontrollierten Kampf in ihrer Kampfkunst übten. Seath stand daneben und überwachte konzentriert die schnellen, gefährlichen Schläge ihrer Schüler. Mit einer Bewegung die durch ihre Geschwindigkeit kaum sichtbar war, lenkte sie mit der Handkante den Schlag eines jungen Kämpfers ab, sonst hätte er seinen unaufmerksamen Partner mit einem Schädelbruch erledigt. Seath sah ihn eindringlich an.
„Wenn du nicht aufpasst, tötest du ihn.“
Dann wandte sie sich an den Geretteten.
„Wenn du nicht aufpasst, wirst du getötet. Weiter, gute Technik.“
Als sie Mia, Sajani und die zwei Tiger erblickte, unterbrach sie mit einem Wink das Training und während sich die Kämpfenden unterhielten und austauschten, kam sie zu ihnen. Sie nickte Sajani zu und streichelte Jack freudig über den Rücken.
„Ich bin hier bald fertig, geht schon vor. Sajani, du kennst mein Arbeitszimmer, ihr werdet dort bitte auf mich warten. Oder wolltest du mit ihnen wo anders hin? Mia, was meinst du?“
„Ich denke wir gehen am Besten in dein Büro, da ist genug Platz.“
Sajani nickte, verbeugte sich vor Seath und sie gingen weiter, die lange Treppe hinunter. Eric und Jack
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