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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Behauptung seiner Frau und ließen sich abweisen.
    »Jetzt reicht’s mir aber«, sagte der Gouverneur schließlich zu mir. »Dann lasse ich Dadgul eben vom Generalstaatsanwalt vorladen.«
    Weitere Tage vergingen. Dann kamen die Abgesandten erneut zu mir zum Tee.
    »Und?«, fragte ich gespannt.
    »Bei Allah, Ade Sheni Hagei , dieser Prozess und das ganze Hin und Her rauben uns langsam den letzten Nerv!« Der Gouverneur sah mich bittend an: »Ist das Süßstoff, was ich da in deiner Hand sehe?«
    »Äh … ja, ich wollte mir gerade welchen in den Tee tun.«
    »Weißt du, ich habe ein bisschen Übergewicht und muss auf alles Süße verzichten, sonst schenkt mir meine Frau keinen Sohn mehr. Das fällt mir sehr schwer, gerade in so anstrengenden Phasen wie jetzt …«
    »Hier. Schenk ich dir. Aber jetzt raus mit der Sprache. Hat Dadgul gestanden?«
    Der Gouverneur nickte und schlürfte zufrieden an seinem süßen Tee.
    Ich sah fragend von einem zum anderen. »Und jetzt ist auf einmal alles aus der Welt?«
    »Wir denken schon, oder? Noch jemand Süßstoff?«
    Ich glaubte, ich wäre im falschen Film.
    »Und was ist mit Dadguls Geständnis? Auf Deutsch? Für meine Freunde und Förderer?«
    »Oh. Ja. Das hätten wir ja beinahe vergessen.«
    Tatsächlich. Jetzt hatte ich es schwarz auf weiß. Eine Riesenlast fiel von meinen Schultern.
    Meine restliche Zeit in Kunduz nutzte ich, um zu helfen, wo ich konnte. Nur auf einem Ohr war ich taub.
    Über Dadguls Verwandtschaft erfuhr ich, dass es ihm nicht besonders gut ging: Sein künstliches Gebiss, das der Stuttgarter Kieferorthopäde damals für ihn gefertigt hatte, hing nur noch lose an seinen beiden inzwischen verfaulenden Weisheitszähnen. Er könne nicht mehr beißen und müsse wieder pürierte Nahrung zu sich nehmen. Auch falle ihm das Gebiss beim Sprechen immer aus dem Mund. Seine Töchter waren nach wie vor unverheiratet. Inzwischen hatte sich nämlich bis in den letzten Winkel der Region herumgesprochen, was für ein falscher Kerl Dadgul sei: korrupt, machtbesessen, charakterlich verdorben. Niemand, wirklich niemand, wollte mit ihm auch nur entfernt zu tun haben, geschweige denn mit ihm verwandt sein.
    Dadgul war in seinem Haus gefangen. Sobald er einen Fuß vor die Tür setzte, würden ihn die Männer von der Staatsanwaltschaft verhaften und ins Gefängnis bringen.
    Inzwischen lag Haftbefehl gegen ihn vor. Wegen Erpressung, diverser versuchter Mordanschläge und tausend anderer Delikte.
    Ich muss gestehen, mein Mitleid hielt sich in Grenzen: Sollten die Damen des Hauses Dadgul doch füttern, pflegen, seinen Mundgeruch und seine schlechte Laune ertragen, wie ich es jahrelang getan hatte. Um Dadgul ein neues Gesicht zu geben. Jetzt hatte er es zum zweiten Mal verloren. Aber aus eigenem Verschulden. Seine Macht war gebrochen, sein Ansehen dahin.
    Oh, Dadgul, dachte ich. Du hast dir deine Strafe selbst eingebrockt, und, bei Allah, du hast sie verdient.

48
    Kabul. Seit Jahren bin ich nicht mehr hier gewesen. Aber nachdem ich keine Mitfluggelegenheit mehr nach Kunduz habe, muss ich den Umweg über Kabul wohl oder übel in Kauf nehmen. Als ich aus dem Flughafen ins Freie trete, lege ich mir schnell ein Kopftuch über.
    Einer der Männer spricht mich an: »Ihr Mann ist bereits da vorne!« Wahrscheinlich, weil er einen Europäer hat herauskommen sehen.
    » Bakhshesh, man tanha astom «, antworte ich lächelnd. »Tut mir leid, aber ich reise alleine.« Dann schiebe ich meinen Gepäckwagen mit den zwanzig Nähmaschinen weiter.
    Dem Afghanen fällt fast die Kinnlade aus dem Gesicht. Wie, eine Frau reist allein? Und dann ist sie auch noch blond und spricht Dari? Ich verkneife mir ein Grinsen und halte nach meinen Abholern Ausschau. Und da sind sie auch schon: mein Anwalt Bismillah, inzwischen Parlamentsabgeordnter in Kabul, und meine treuen Freunde Tadj und Assad. Sie laufen mit ausgebreiteten Armen auf mich zu und kümmern sich um mein Gepäck.
    »Gut siehst du aus, Ade Sheni Hagei! Wie geht es Anwar?«
    Anwar hat inzwischen in Deutschland eine Aufenthaltsgenehmigung und lebt noch immer in unserem Haus. Er spricht prima Deutsch und hat eine einundzwanzigjährige Blondine zur Freundin. Da ich ihn ja in Afghanistan »adoptiert« habe, bezeichne ich ihn als meinen Pflegesohn. Und Tadj ist der Bruder meines Sohnes, also Familie. Ich komme nach Hause, zu meiner Familie!
    In Katachel wartet man schon sehnsüchtig auf mich. Die Schulen funktionieren wieder, Häuser entstehen rechts und

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