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Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Titel: Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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KAPITEL 1
    Glutrot steigt die Sonne über den Horizont, und dort, wo ihr Licht durch die flache, Amorix überspannende Kuppel dringt, erkennt Hendrikje Greiff die wabenartige Struktur dieses Schutzschildes, der sich wie eine Käseglocke über die Urbaniden der Stadt stülpt.
    Es soll wieder anfangen, denkt die Frau, und unwillkürlich schlägt sie den Kragen ihres Overalls aus Schmeichelmoos hoch, als diese ungewisse Furcht sie frösteln läßt. Was wird diesmal geschehen, wenn die Sonne zu vibrieren beginnt, wenn ihre Schwingungen verheerende Beben auf Merkur und Venus auslösen und sogar auf der Erde noch Schlammvulkane zum Ausbruch bringen?
    Damals, vor fünfunddreißig Jahren, da war sie noch ein Kind, spiellernte mit ihren Altersgefährten der Kindschaft Gamma V in der Geborgenheit des Nesturbanidums, da war sie noch Teil des Großen Schatzes, genoß die unantastbaren Privilegien eines Nestlings. Was kümmerten sie irgendwelche Unregelmäßigkeiten eines Vorgangs im Innern des Zentralgestirns…
    Wehmütig sucht Hendrikje hinter den Kolossen der im Morgendämmern düster aufragenden Urbaniden von Amorix die Konturen des Nesturbanidums auszumachen, dieses gewaltigen Blocks aus Schaumsilikat und Glas, der im Innern die Kinderstadt birgt.
    Da leuchtet das Symbol aus den ineinander verschlungenen Buchstaben N und U. Beinahe hätte sie es übersehen, weil es von der Tageslosung überstrahlt wird, die über die ganze Front des Urbanidum Maximum flimmert. Flüchtig liest Hendrikje: “Der Reichtum der Gemeinschaft ist der Reichtum jedes einzelnen.” Klingt doch gut, denkt sie, aber Ergar hat sicherlich auch daran etwas auszusetzen, um Spitzfindigkeiten ist der nie verlegen.
    Dann blickt sie wieder zur Kinderstadt hinüber. Dort hat sie ihren Lebensgefährten kennengelernt, sie mochten sich vom ersten Augenblick ihrer Bekanntschaft an, wie es ihnen damals schien. Daß man sie beide – wie alle anderen Lustgeschwister – nach ebenso unauffällig wie sorgsam vorgenommenen Affinitätsbestimmungen füreinander ausgewählt und genauso unauffällig einander zugeführt hatte, das erfuhren sie erst viel später, und nur deshalb, weil Hendrikje als Kaderorganisator der Sonnenseglerflotte gelernt hat, wie man Psychogramme auswertet und Kollektive zusammenstellt und wie man das Urbanidum Maximum, in dem sich das Große Gehirn befindet, überlisten kann, wenn man an Informationen heranwill, die unter die Datenschutzregelung fallen.
    Sie wollte einfach ein bißchen mehr über Ergar erfahren, mehr, als er ihr erzählte, und so wären sie fast ein Fall für das Büro zur Untersuchung abweichender Verhaltensweisen geworden, denn die Erkenntnis, daß alles vorausgeplant und von ihr selbst überhaupt nicht beeinflußbar gewesen war, trieb sie in dieses Verhältnis mit einem über zwanzig Jahre älteren Mann…
    Das ist nun auch schon zehn Jahre her, erinnert sie sich und konstatiert erleichtert, daß ihr dabei etwas melancholisch zumute wird – ihr emotionales Potential ist also noch hoch genug, obwohl sie den ganzen Tag lang keine Qualle gelutscht hat. Kaum aber denkt sie daran, erwacht in ihr eine zügellose Gier nach dem tonisierenden Hormon dieser knopfgroßen Weichtiere von irgendeinem Planeten weit draußen im All.
    Hendrikje fingert die Dose aus ihrer Brusttasche und stochert mit dem Zeigefinger in dem grünlichen Gelee. Amüsiert beobachtet sie, wie sich die feinen Daunen des Schmeichelmooses zurückbiegen, als führe ein leiser Windstoß darüber hinweg. Ihr Overall hat schon einige rostrote Flecke, die im purpurnen Funkeln des pelzigen Geflechts aus Millionen winziger Pflänzchen aber kaum auffallen. Das Quallenhormon ist Gift für Schmeichelmoos, Hendrikje weiß das, es wird von den Menschen beinahe unverändert wieder abgesondert, und das Moos, das sich von allem ernährt, was der menschliche Organismus ausscheidet, geht an den Quallen zugrunde. Dem Menschen schaden sie nur ein wenig, wenn man nicht übertreibt.
    Aber ihr Lächeln weicht einem mißmutigen Schnaufen – die Dose ist leer, ihre Fingerkuppe kann in der Nährgelatine keins der kleinen glitschigen Tiere ertasten. Sie spürt förmlich, wie alle Gefühle aus ihr sickern, sogar der Ärger über diesen Vorfall macht nüchterner Selbstkritik Platz. Ich bin zu vergeßlich geworden, denkt sie kalt, seine Gefühle darf man nicht derart vernachlässigen, wie ich es bisweilen tue, das bin ich Ergar schuldig.
    Einzig dieser zermürbende Heißhunger nach Quallen ist von

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