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Drachenlied

Drachenlied

Titel: Drachenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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leise auf Onkelchen ein und fischte gleichzeitig nach den Kaukugeln in ihrer Tasche. Genau so einen Zwischenfall hatte sie verhindern sollen.
    Harfner Elgion drehte sich bei dem gebieterischen Tonfall um und verbeugte sich tief vor dem alten Burgherrn am Kamin. »Das würde mir auch mehr Freude bereiten, werter Onkel«, sagte er liebenswürdig, »aber wir leben in schlimmen Zeiten...« Seine Finger schlugen dumpfe Akkorde an. »In sehr schlimmen Zeiten, die uns Lachen und Fröhlichkeit vergällen. Es gilt, weitsichtig für die Zukunft zu planen...«
Und er begann eine Ballade, die von der Gehorsamspflicht der Barone gegenüber dem Weyr handelte.
    Die Kaukugeln hatten sich erwärmt und klebten an der Innenseite ihrer Tasche, aber schließlich gelang es Menolly, einige zu lösen und Onkelchen in den Mund zu schieben. Er schmatzte wütend, weil er genau merkte, dass sie seinen Redefluss unterbrechen wollte. Menolly empfand den Gesang als kraftvoll und die Worte wühlten sie auf. Doch nun bekam der alte Mann einen Schluckauf. Menolly zischte ihm zu, den Atem anzuhalten, aber er war zornig, dass man ihn nicht reden ließ, und zornig über den Schluckauf und begann, mit den Fäusten auf die Armlehnen seines Sessels zu trommeln. Das störte den Rhythmus der Ballade und trug Menolly wütende Blicke von der Haupttafel ein.
    Eine der Tanten reichte ihr ein Glas Wasser, aber der störrische Alte goss es über Menollys Kittel. Dann stand mit einem Mal Sella neben ihr und gemeinsam brachten sie Onkelchen auf sein Zimmer.
    Er hickste immer noch, als sie ihn ins Bett legten, ruderte mit den Armen und beschwerte sich lautstark über die schlechte Behandlung.
    »Du musst bei ihm bleiben, bis er sich beruhigt hat, Menolly, sonst fällt er noch aus dem Bett. Weshalb in aller Welt hast du ihm denn die Kugeln nicht gegeben? Die bringen ihn meist zum Schweigen«, meinte Sella.
    »Die waren schuld an seinem Schluckauf?«
    »Du lernst doch nie, irgendetwas richtig zu machen.«
    »Bitte, Sella, bleib du bei ihm! Du wirst so leicht mit ihm fertig. Ich musste ihn den ganzen Abend versorgen und hörte kein Wort von den Balladen...«
    »Du solltest auf ihn achten! Du hast das versiebt! Also bleibst du!« Und Sella rauschte aus dem Zimmer.
    Damit endete der erste einer Reihe schwerer Tage für Menolly.
Es dauerte Stunden, bis sich der alte Mann beruhigt hatte und eingeschlafen war. Dann, als sie völlig erschöpft ihre eigene Kammer aufsuchte, empfing Mavi sie mit Vorwürfen, weil sie nicht besser auf den Alten achtgegeben und die Burg zum Gespött der Leute gemacht hatte. Menolly erhielt keine Gelegenheit, sich zu verteidigen.
    Am Tag darauf fielen Fäden und sie waren stundenlang in der Burg eingeschlossen. Menolly gehörte zu den Trupps, die später mit Flammenwerfern ausrückten. Der Sporenregen war zum Teil über dem Marschland niedergegangen; das bedeutete mühseliges Waten durch Sumpflöcher und Schlicksand.
    Sie war todmüde, als sie heimkam, aber dann mussten sie noch alle mithelfen, die schweren Netze zu verstauen, denn die Boote wollten nachts mit der Flut auslaufen.
    Sie wurde noch vor Sonnenaufgang am nächsten Morgen geweckt, um beim Ausnehmen und Pökeln des gewaltigen Fangs zu helfen. Das dauerte den ganzen langen Tag und kostete so viel Kraft, dass sie abends gerade noch die verdreckten Sachen ausziehen und sich ins Bett sinken lassen konnte.
    Einen Tag später mussten sie Netze flicken. Das war im Allgemeinen eine Arbeit, die sie mochte, denn die Frauen konnten dabei plaudern und singen. Aber Yanus stand herum und trieb sie zur Eile an, denn er wollte mit der Abendflut noch einmal hinausfahren zur Untiefe. Menolly hatte das Gefühl, dass er sie schärfer als sonst beobachtete; das machte sie nervös und alles fiel ihr aus der Hand.
    Zu diesem Zeitpunkt begann sie, sich erstmals Gedanken darüber zu machen, ob der neue Harfner den Wissensstand der Kinder vielleicht bemängelt hatte. Aber von Petiron wusste sie, dass es nur eine Version der Lehrgesänge gab, und die hatte sie den Kleinen wortgetreu beigebracht. Weshalb schien dann ihr Vater so unzufrieden mit ihr? Weshalb funkelte er sie so böse an? War er etwa immer noch wütend,
dass sie Onkelchen nicht rechtzeitig zum Schweigen gebracht hatte?
    Ihre Zweifel wuchsen so sehr, dass sie abends, als die Schiffe endlich Segel gesetzt hatten und alle ein wenig verschnaufen konnten, ihre Schwester ins Vertrauen zog.
    »Wütend wegen Onkelchen?« Sella zuckte die Achseln. »Was um

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