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Drachenlied

Drachenlied

Titel: Drachenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Sie schaute auf und er kam an ihren Tisch. Nun ja, warum nicht? Das half ihr vielleicht, wach zu bleiben, bis der Meisterharfner kam. Also sang sie zum Klang der Gitarre. Prinzessin und Rocky hoben die Köpfe. Rocky
schlief nach einem verdrießlichen Zetern wieder ein, aber Prinzessin flatterte Menolly auf die Schulter, und ihr zarter Sopran verschmolz mit Menollys Stimme.
    »Sing noch eine Strophe, Menolly!«, bat Manora. Sie tauchte aus dem Schatten des Küchengewölbes auf.
    Die Aufseherin zog sich einen Stuhl heran und schloss die Augen. Oharan spielte einen Zwischenakkord und begann mit der zweiten Strophe.
    »Deine Stimme ist eine Wohltat«, murmelte Manora. »Noch ein einziges Lied, Mädchen, dann gehe ich schlafen.«
    Dagegen konnte Menolly kaum etwas sagen. Sie warf Oharan einen fragenden Blick zu, weil sie nicht wusste, was sie als Nächstes singen sollte.
    »Versuch, mich einfach zu begleiten«, schlug der Weyr-harfner vor und ließ sie nicht aus den Augen, als er die ersten Töne anschlug. Menolly kam das Lied bekannt vor; es hatte einen mitreißenden Rhythmus, und sie begann zu singen, ehe ihr bewusst wurde, weshalb ihr die Melodie so vertraut erschien. Sie war müde und hatte weder von Manora noch von Oharan eine Falle erwartet. Aber was der Harfner spielte, war eines der beiden Lieder, die sie für Petiron niedergeschrieben hatte: die Melodien, die er dem Meisterharfner hatte schicken wollen.
    Sie stockte.
    »Sing weiter, Menolly«, sagte Manora. »Es ist so ein schönes Lied.«
    »Vielleicht sollte sie ihre eigene Komposition besser spielen «, meinte jemand dicht hinter ihr im Schatten. Und der Meisterharfner trat vor und reichte ihr seine Gitarre.
    »NEIN! NEIN!« Menolly war aufgesprungen und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Prinzessin zeterte ängstlich und drückte sich enger an sie.
    »Tu es für mich!«, bat der Meisterharfner eindringlich.

    Noch zwei Leute kamen aus dem Dunkel - T’gellan, der sie breit angrinste, und Elgion. Woher wusste der junge Harfner Bescheid? Und warum wirkte er so zufrieden und stolz? In ihrer Verwirrung schlug Menolly beide Hände vors Gesicht. Sie war ihnen glatt in die Falle gegangen.
    »Hab doch keine Angst, Kind«, sagte Manora rasch. Sie nahm Menolly am Arm und drückte sie sanft zurück auf ihren Stuhl. »Es gibt hier nichts zu befürchten - weder für dich noch für dein großes Musiktalent!«
    »Aber ich kann nicht spielen...« Sie hielt die Hand hoch. Robinton nahm sie in seine und fuhr mit dem Finger prüfend über den Narbenwulst.
    »Doch, Menolly«, sagte er ruhig und schaute sie dabei freundlich an. »Elgion hörte dich, als du in jener Höhle die Panflöte spieltest.«
    »Aber ich bin nur ein Mädchen«, warf sie ein. »Und Yanus sagte mir...«
    »Unsinn!«, unterbrach sie der Meisterharfner mit einer Spur von Ungeduld. »Hätte Petiron mir nur gleich die Wahrheit geschrieben, dann wäre dir eine Menge Kummer und uns eine lange Suche erspart geblieben. Willst du denn nicht zu uns Harfnern gehören?« Das klang so wehmütig und enttäuscht, dass Menolly ihn beruhigen musste.
    »O doch, doch! Musik bedeutet mir mehr als alles andere im Leben...« Prinzessin auf ihrer Schulter summte sanft und Menolly hielt den Atem an.
    »Was gibt es denn nun schon wieder?«, fragte Robinton.
    »Meine Feuerechsen. Und Lessa sagte, dass ich in den Weyr gehöre.«
    »Lessa lässt es bestimmt nicht zu, dass neun singende Feuerechsen ihren Weyr unsicher machen!«, sagte der Harfner mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. »Und sie gehören in meine Gildehalle. Du wirst uns einiges beibringen
müssen, Mädchen.« Er strahlte so gut gelaunt, dass sie schüchtern zu lächeln begann. »So«, meinte er und drohte ihr mit dem Finger. »Und ehe dir neue Ausreden oder Hindernisse einfallen, packst du bitte meine Echseneier und deine Habseligkeiten ein und begleitest mich in die Gildehalle, ja? Der Tag war anstrengend für mich.«
    Er drückte ihr beruhigend die Hand und seine freundlichen Blicke erstickten jeden Widerspruch im Keim. Alle Zweifel und Ängste, die Menolly je gehegt hatte, verflogen in diesem Augenblick.
    Prinzessin schmetterte mit heller Stimme und weckte die anderen. Langsam stand Menolly auf, gestützt vom Meisterharfner.
    »Ich komme ja so gern, Meister Robinton«, sagte sie unter Tränen.
    Und neun Feuerechsen gaben im Chor ihre Zustimmung.

cbt - C. Bertelsmann Taschenbuch
Der Taschenbuchverlag für Jugendliche
Verlagsgruppe Random

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